Interview mit Maximilian Abouleish-Boes, Ph.D., Leiter der Abteilung für nachhaltige Entwicklung
Maximilian Abouleish-Boes wurde in Deutschland geboren und lebt seit Ende 2009 in Ägypten. Er will als soziale Führungspersönlichkeit dazu beitragen, die Organisationsstrukturen so zu verändern, dass sie widerstandsfähig sind und dem Ziel der nachhaltigen Entwicklung zu dienen. Neben seiner Aufgabe als Nachhaltigkeitsbeauftragter unterstützt Maximilian Abouleish-Boes die Tochtergesellschaft NatureTex als Merchandiser beim Export von Bio-Babytextilien. Er ist Vater von zwei Kindern und lebt auf der SEKEM Farm.
SEKEM News: Was bedeutet Nachhaltigkeit für SEKEM?
Maximilian Abouleish-Boes: Im Idealfall bedeutet es, dass wir als Menschen uns selbst und die Erde weiterentwickeln und in Harmonie mit der Schöpfung und dem Universum leben. In der Praxis bedeutet es, Kompromisse zu schließen, die sich aus dem Versuch ergeben, die wirtschaftlichen, kulturellen, sozialen und ökologischen Bedürfnisse in Einklang zu bringen.
SN: Was stellt für SEKEM eine der größten Herausforderungen im Kontext von Nachhaltigkeit dar?
M.A.: Die enorme Umweltverschmutzung in der überbevölkerten Delta- und Nilregion erfordert es, in der Wüste biologische und biodynamische Landwirtschaft zu betreiben. Dazu müssen oft fossile Wasserquellen angezapft werden, was nicht nachhaltig ist. Wir sind jedoch der Meinung, dass nachhaltige Landwirtschaft und der Aufbau von Gemeinschaften in der Wüste als Teil unserer Wertschöpfung von Bedeutung sind, um auf die brennenden Probleme Ägyptens insgesamt zu reagieren und Lösungen anzubieten, die in andere Teile der Welt übertragen werden können.
SN: Welche konkreten Entwicklungen zum Thema Nachhaltigkeit gab es in SEKEM im Jahr 2020?
M.A.: Wir haben unsere Widerstandsfähigkeit bewiesen, indem wir die meisten unserer Finanz- und Nachhaltigkeitsziele trotz der globalen Pandemie erreicht haben, und wir haben weiterhin ein positives Entwicklungssignal für die Welt gesetzt, indem wir unser Projekt “Greening the Desert” fortgesetzt und an unseren anderen Visionszielen gearbeitet haben.
SN: In der SEKEM Vision für 2057 sind 18 konkrete Nachhaltigkeitsziele formuliert. Wie werden die SEKEM-Visionziele für 2057 realisiert?
M.A.: Um jedes Ziel herum wird eine Visionsgruppe gebildet, die sozusagen als Verwalter fungiert. Dann gibt es Center oder Abteilungen, die dafür sorgen, dass die Visionsbilder in die Realität kommen, zum Beispiel über Produkte oder Dienstleistungen. Dies werden von Forschungen begleitet und erprobt, sodass Modelle entstehen, die vervielfältigt werden können. Wir verfolgen den Ansatz „Learning by doing“, also aus der Praxis lernen und schrittweise Verbesserungen zu bringen anstelle Perfektion anzustreben.
SN: Wie überprüft SEKEM diesen Ansatz?
M.A.: Jede Organisationseinheit, die an einem der Ziele arbeitet, muss bestimmte Indikatoren definieren, anhand derer beurteilt werden kann, ob sie in der Lage ist, ihren jeweiligen Zweck im Dienste unseres Visionsziels zu erfüllen. Darüber hinaus legen wir jährliche Ziele in Bezug auf diese Kennzahlen fest und verfolgen sie monatlich mit den verantwortlichen Personen. Die wichtigsten Daten fließen in den Jahresbericht ein, den wir mit unseren wichtigsten Stakeholdern teilen und der von unserem Vorstand genehmigt wird.
SN: Welche Stärken und welche Schwächen hat SEKEM im Bezug auf nachhaltige Entwicklung?
M.A.: Unsere Stärke ist unsere Fähigkeit, einen ganzheitlichen Ansatz zu verfolgen, der alle Lebensbereiche umfasst. Wir sind ein Mikrokosmos verschiedener Institutionen mit einem starken Netzwerk von Partnern, die Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen anbieten. Dies ist ein sehr komplexes Unterfangen und in Bezug auf die Umsetzung können wir sicher noch viel von anderen lernen. Ein weiteres Problem ist, dass unsere Produkte oft teurer sind als die der globalen Konkurrenz, weil die wahren Kosten und Werte von Produkten nicht transparent dargelegt werden. Hier wollen wir Abhilfe schaffen, indem wir die “True Cost Accounting”-Methode fördern.
Lesen Sie mehr über SEKEMs Ansatz nachhaltige Entwicklung zu fördern in unserem Bericht 2020!