SEKEMs Verwaltungsrat besteht, neben Dr. Ibrahim und Helmy Abouleish, aus sieben weiteren Personen. Viermal im Jahr kommt der Verwaltungsrat in SEKEM zusammen, um die Unternehmenssituation und strategische Fragen zu besprechen. Die Mitglieder des Verwaltungsrats werden von SEKEMs Eigentümern nominiert und jeweils für drei Jahre gewählt. Sie bringen Erfahrung und Expertise aus unterschiedlichen Bereichen mit. In den SEKEM News wollen wir Ihnen die Mitglieder nach und nach vorstellen.
Wenn Rembert Biemond spricht, passiert etwas Wunderbares: Der Zuhörer wird ruhig, gar entspannt. Und gleichzeitig erfährt er aus beinahe jedem seiner Sätze etwas Spannendes, Tiefgründiges oder wird zum Weiterdenken angeregt. All das legt Rembert Biemond in erstaunlicher Klarheit dar, ohne hierbei nur andeutungsweise belehrend zu sein. Dies ist sicherlich eine der Eigenschaften, die Biemond zu einem erfolgreichen Unternehmer der nachhaltigen Wirtschaft gemacht haben.
Dabei war es für den jungen Rembert einst nicht leicht herauszufinden, was er nach der Schule einmal lernen möchte, wenngleich der Heranwachsende damals bereits eine gewisse Spiritualität spürte, die bis heute eine bedeutende Rolle in seinem Leben spielt und ihm oft bei Entscheidungen geholfen hat.
Ein vertrauter Lehrer gab Rembert seinerzeit den Rat, er solle abends vor dem Schlafen verschiedene Lebensszenarien gedanklich durchspielen und am nächsten Morgen die daraus resultierende Stimmung erfühlen. „Ich fand keine konkreten Antworten, aber irgendwann war die Erkenntnis da, dass ich etwas möglichst Schwieriges, Herausforderndes machen möchte“, erinnert sich der Niederländer.
Eine solche Herausforderung fand der inzwischen 57-Jährige Mitte der 1970er Jahre im Studium der Wirtschaft, denn: „Damals gab es bereits alternative Ansätze in der Bildung oder Landwirtschaft. In der Betriebswirtschaft jedoch war alles noch sehr konservativ. Ich wollte Wirtschaft studieren um etwas zu ändern.“ Rembert Biemond schien zunächst der einzige unter 1600 Erstsemestern, die aus dieser idealistischen Motivation das Studium aufgenommen hatten.
Von elementarer Bedeutung für Rembert Biemond damals war, dass er die Bekanntschaft mit Volkert Engelsman machte, später Mitbegründer und Geschäftsführer von Eosta, einer der größten Distributeure von frischem Bio-Obst und -Gemüse Europas. Beide Männer haben wiederholt erfolgreich zusammengearbeitet und sind anhaltend befreundet.
Geschäftsführer des Goetheanums
Die schwierige Arbeit, nach der Rembert auf der Suche war, fand er nach dem Studium schließlich bei dem Energiekonzern Shell. „Manchmal muss man halt direkt in die Höhle des Löwen, um etwas zu verändern.“ Allerdings wurde der ehemalige Waldorfschüler bald schon nach Dornach ins Zentrum der Anthroposophie eingeladen, um im dortigen Goetheanum Management-Aufgaben zu übernehmen. Zudem fand der junge Betriebswirt im Goetheanum exakt jene unterschiedlichen Aufgaben, in denen er sich verwirklichen konnte – vom Assistenten des Finanzvorstandes, über die Bühnen-Intendanz bis hin zur Geschäftsführung. „Es war mir immer ein Anliegen etwas für die Kunst und Künstler zu tun.“
Keineswegs am Rande ergab sich in Dornach das erste Zusammentreffen mit SEKEM Gründer Dr. Ibrahim Abouleish, den Biemond etwa als Übersetzer bei Vorträgen im Goetheanum flankieren durfte.
„Wir alle sind Unternehmer unserer selbst …“
Nach zehn Jahren intensivster Beschäftigung im internationalen Zentrum der Anthroposophie schien die Zeit reif für neue schwierige Aufgaben. „Keineswegs eine rationale Entscheidung von mir, vielmehr war es eine Gefühl, eine innere Stimmung. Ich kündigte, ohne einen Plan zu haben was ich anschließend machen werde“, erinnert sich der spirituelle Ökonom. Des Weiteren stellt er heraus: „Mir scheint, dass solch ein Wechsel der Tätigkeiten charakteristisch für die heutige Zeit ist. Früher waren einzelne Lebenswege viel genauer vorgezeichnet“, sagt Biemond. Denn: „Heute müssen wir stets bereit sein uns auf Neues einzulassen. So ist jeder einzelne Mensch bereits ein Unternehmer – wir sind Unternehmer unserer selbst! Dazu aber müssen wir wachsam sein und sensibel unseren Stimmungen lauschen, die uns letztlich sagen, was wir eigentlich wollen, welcher Weg zum angestrebten Ziel führt.“
Durchbruch der Bio-Branche
Für das „Unternehmen“ Rembert Biemond ging es zunächst weiter in die Schweiz. Als selbstständiger Berater und Unternehmer war er dort an der Gründung verschiedener Institutionen beteiligt oder beschäftigte sich im Verwaltungsrat der Freien Gemeinschaftsbank mit dem alternativen Finanzwesen. Die Erfahrungen und der Weitblick des sozialen Wirtschaftswissenschaftlers waren sicherlich auch ein Grund dafür, dass er 2002 von den Eigentümern der deutschen Bio-Firma „lehmann natur“ gebeten wurde die Geschäftsführung zu übernehmen. „Zu dieser Zeit kam die Bio-Branche gerade größer ins Rollen und zertifizierte Bio-Lebensmittel wurden erstmals in konventionelle Supermärkte verkauft. Eine außergewöhnlich spannende Phase, in der die Erfolge von nachhaltigem Wirtschaften deutlich sichtbar wurden.“
Über „lehmann natur“ kam Biemond dann zum zweiten Mal in Kontakt mit SEKEM. „lehmann natur“ kaufte frisches Obst und Gemüse von SEKEM und der Geschäftsführer besuchte regelmäßig Ägypten, um sich über die Warenherkunft zu informieren und Geschäftliches zu regeln. „Das SEKEM-Modell ist faszinierend und einmalig. Es belegt deutlich, wie nachhaltiges Wirtschaften funktionieren kann: Natürlich muss Geld verdient werden. Gleichzeitig jedoch kann auch ausgebildet und in die Weiterentwicklung von Landwirtschaft sowie Umwelt investiert werden. Solche Möglichkeiten sind stets gegeben und es zeichnet wahre Unternehmer aus, dies zu erkennen plus zu nutzen, selbst wenn’s schwierig scheint“, stellt Rembert Biemond heraus.
„Werde ein Mensch der Initiative, lerne aus deinen Fehlern und mache so viele Erfahrungen wie möglich!“
Das Interesse an multidimensionalen Gemeinschaften zieht sich, einem roten Faden gleich, durch Biemonds bisheriges Leben. Als er vor sechs Jahren ein Angebot aus Schweden bekam, in einem dortigen anthroposophischen Zentrum, das SEKEM-vergleichbar ausgerichtete ist, aktiv zu werden, entschied er, dass es mal wieder an der Zeit sei sich auf Neues einzulassen … Tatsächlich stellte sich heraus, dass er seine Stimmung richtig gedeutet hatte: „Ich mache seither wieder viel Stiftungsarbeit, was mir sehr am Herzen liegt. Besonders ausgiebig engagiere ich mich bei YIP (The International Youth Initiative Program), einem internationalen Projekt, das ganzheitliche Bildung fördert, um junge Menschen darin zu bestärken sich den globalen Herausforderungen unserer Zeit anzunehmen.“
Rembert Biemond scheint aktuell einen Punkt erreicht zu haben, an dem die Arbeit mit jungen Menschen im Mittelpunkt steht. So beschäftigt er sich in SEKEM auch mit der angehenden Unternehmergeneration. Der Vater von zwei Söhnen gab jüngst eine Woche hindurch Kurse an der Wirtschaftsfakultät der Heliopolis Universität für nachhaltige Entwicklung.
„Werde ein Mensch der Initiative, lerne aus deinen Fehlern und mache so viele Erfahrungen wie möglich!“ Das hat er bereits Studenten mit auf den Weg geben. „Nur Dinge, die man unmittelbar erlebt, bleiben wirklich in der Erinnerung haften. Unsere Gesellschaft muss hier umdenken und verstehen, dass es verschiedene Formen von Intelligenz gibt, nicht nur das klassische Intellektuelle.“
Rembert Biemond versucht den angehenden Wirtschaftswissenschaftlern zu vermitteln, dass das sich nur mit dem Wachstum beschäftigende Konzept veraltet und kaum noch zeitgemäß ist. „Es geht nicht mehr um das Bruttonationaleinkommen, es geht heute einzig um das Bruttonationalglück. Die Lebensqualität kann sich gleichzeitig verbessern, auch wenn die Wirtschaft sich zurückentwickelt.“
Vor einem Jahr wurde Rembert Biemond in SEKEMs Verwaltungsrat gewählt. „Wir brauchen nicht nur ein SEKEM auf dieser Welt, sondern eine Million. Ich hoffe, dass SEKEM möglichst viele Menschen dazu inspiriert, ähnliche Modelle überall auf der ganzen Welt zu schaffen.“
Christine Arlt
SEKEM Verwaltungsrat