Baumwolle ist eine der ältesten angebauten Kulturpflanzen und wird seit 8000 Jahren verwendet, um Textilien und Kleidung herzustellen. Die ältesten Spuren von Baumwolle wurden in Asien und Südamerika gefunden. Heute ist Baumwolle immer noch ein wichtiges Material und wird auf der ganzen Welt angebaut. Hauptabnehmer ist die Textilindustrie. Zudem werden Baumwollfasern beispielsweise bei der Herstellung von Zelten, Kaffeefiltern und Banknoten verwendet. Aus den Baumwollsamen kann sogar Speiseöl gewonnen werden.
Baumwolle gilt aber leider auch als das landwirtschaftliche Erzeugnis, das mit der höchsten Menge an Chemikalien produziert wird. Nach Angaben der Vereinten Nationen werden weltweit 18 Prozent der chemischen Pflanzenschutzwirkstoffe im Baumwollbereich eingesetzt, was zu enormen Problemen für Umwelt und Menschen führt. Besonders konventionelle Baumwollpflanzen, die häufig gentechnisch verändert sind, benötigen viele Pestizide. Darüber hinaus erfordert der Anbau von Baumwolle viel Wasser: beispielweise werden 2000 Liter Wasser benötigt, um die Baumwollsträucher für ein einziges T-Shirt zu bewässern, so das UNESCO-Institut für Wasser-Ausbildung. Dieser Umstand ist besonders problematisch für Länder die unter Wassermangel leiden.
Nachhaltige Landwirtschaft in Ägypten
Eine nachhaltige Alternative ist der Anbau von Bio-Baumwolle. Immer mehr Bauern und Unternehmen weltweit werden sich der Vorteile bewusst und steigen vom konventionellen auf den organischen oder sogar biodynamischen Anbau von Baumwolle um. Eines dieser Unternehmen ist die SEKEM Initiative in Ägypten. SEKEM engagiert sich seit fast 40 Jahren für der Herstellung, Verarbeitung und Vermarktung organischer und biologisch-dynamischer Lebensmittel, Textilien und pflanzlicher Arzneien in Ägypten, der arabischen Welt und auf internationalen Märkten. Im Jahr 1977 kaufte Dr. Ibrahim Abouleish ein Grundstück in der Wüste und machte es mit biodynamischen Landwirtschaftsmethoden urbar. „Unsere Felder benötigen mindestens 20 Prozent weniger Wasser und absorbieren durchschnittlich rund drei Tonnen CO² pro Hektar und Jahr. Dies ist ein klares Zeichen dafür, dass die organische Landwirtschaft einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels leistet“, erklärt Helmy Abouleish, Geschäftsführer von SEKEM. Die SEKEM Initiative hat heutzutage mehr als 680 Hektar Wüstenland für nachhaltige Landwirtschaft urbar gemacht und einen Ort geschaffen, an dem Menschen in einer verantwortungsvollen Gemeinschaft leben, lernen und arbeiten und alle wirtschaftlichen Aktivitäten im Einklang mit kultureller, gesellschaftlicher und ökologischer Balance stehen.
SEKEM war eine der ersten Initiativen, die damit begann, biologische Baumwolle in Afrika anzubauen und zu verarbeiten. Im Jahr 1990 konnte Dr. Ibrahim Abouleish mit einem Forscherteam die Effizienz und die hohe Ertragsrate der alternativen und nachhaltigen Anbauweise unter Beweis stellen, was die ägyptische Regierung dazu veranlasste, das Gesetz zu ändern und auf die gängige Praxis zu verzichten, bei der chemische Pestizide mit dem Flugzeug auf Baumwollfeldern versprüht wurden. Durch diese Maßnahme ist der Gesamteinsatz von Pestiziden in Ägypten um fast 90 Prozent gesunken. Im selben Jahr initiierte SEKEM auch die Gründung eines Zentrums für biologische Landwirtschaft in Ägypten, das als unabhängige Zertifizierungsstelle fungiert, in Übereinstimmung mit den Demeter-Richtlinien und der Europäischen Verordnung für den ökologischen Landbau. Viele afrikanische Länder wie Tansania, Uganda und Benin folgten dem Beispiel von SEKEM und Ägypten und begannen ebenfalls in den 90er Jahren Bio-Baumwolle zu produzieren.
Bewusstsein für die Vorteile biologischer Landwirtschaft schaffen
SEKEM entwickelte in den folgenden Jahren, in enger Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern, Bauern, Beratern und Verbrauchern und ein ganzheitliches, biodynamisches Konzept für den ökologischen Baumwollanbau. Um Bauern dabei zu unterstützen, vom konventionellen zum biodynamischen Anbau von Baumwolle und anderen Pflanzen zu wechseln, gründete SEKEM die Ägyptische Biodynamische Gesellschaft (EBDA). Die EBDA kooperiert mit rund 400 Betrieben in ganz Ägypten und steht gemeinsam mit SEKEM dafür ein, dass die Landwirte stabile Preise für ihre Produkte erhalten, bietet ihnen damit die Sicherheit, nicht mit leeren Händen oder gar Schulden zu enden. Darüber hinaus hilft die EBDA beim Bau von sanitären Einrichtungen, bei der Bereitstellung von Wasserfiltern oder Sicherheitsschulungen, was dazu führen soll, die Gesundheitsrisiken bei der Bevölkerung zu reduzieren. „Unser oberstes Ziel ist es, das Bewusstsein für die Vorteile einer nachhaltigen Landwirtschaft zu stärken und das positive Ergebnis unter den Bauern zu fördern“, so Attia Mohamed Sobhy, Sekretär der EBDA.
1994 wurde SEKEMs Tochterunternehmen NatureTex gegründet, um Textilien aus der hochwertigen Bio-Baumwolle herzustellen. Das Unternehmen stellt verschiedene Produkte aus 100 Prozent zertifizierter Bio-Baumwolle oder -Leinen her, darunter Kleidung für Babys und Kinder, Freizeitkleidung für Erwachsene, Accessoires, Puppen und Heimtextilien. Die kurze geschlossene Produktionskette und die Verarbeitung nach dem „Global Organic Textile Standard“ (GOTS) tragen dazu bei, die ökologischen Auswirkungen so gering wie möglich zu halten. Die wirtschaftliche Aktivität sorgt dafür, dass die Umwelt nicht geschädigt wird und die Mitarbeiter ein faires Einkommen erhalten sowie unter angemessenen Bedingungen arbeiten. Zudem profitieren die Konsumenten von der hohen Qualität der Produkte.
GMO sind nicht die Lösung
Nach Angaben des deutschen Informationsdienstes Gentechnik werden rund 73 Prozent der weltweit kultivierten Baumwolle gentechnisch verändert. Durch die Genmanipulation wird ein Bakterium in die Baumwollpflanze integriert. Dadurch entsteht ein Gift, das die Larven des Baumwollkapselbohrers töten soll, aber gleichzeitig vermehren sich Blattläuse und Baumwanzen, was zur Verwendung weiterer Pestizide führt. Organische und biologisch-dynamische Landwirtschaftsprinzipien stellen eine Alternative zu konventionellen oder gentechnisch veränderten Landwirtschaftsmethoden dar und sind auf lange Sicht gesehen sogar kostengünstiger. Dies ergibt sich aus einer kürzlich veröffentlichten Studie, die von der Heliopolis Universität für nachhaltige Entwicklung durchgeführt wurde. In der Studie wurden die Kosten errechnet, die aus der Verschmutzung von Wasser und Boden beim Anbau von Nutzpflanzen wie Baumwolle, Mais oder Reis entstehen. Zwar kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass die Bio-Landwirtschaft geringfügig höhere direkte Kosten verursacht, aber gleichzeitig eine Kostensenkung für Umwelt- und Gesundheitsschäden ermöglicht und somit langfristig eine bessere Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit für die Gesellschaft insgesamt bietet.
Zeit zum Umdenken
Um die aktuelle Situation zu ändern, müssen Verbraucher ein Bewusstsein für die Probleme entwickeln, die der konventionelle Anbau von Baumwolle mit sich bringt. Solange sie weiterhin die günstigeren, konventionell produzierten Textilien kaufen, bleiben die Bio-Baumwollprodukte in den Regalen. „Jeder sollte den eigenen Konsum und die Wegwerfgesellschaft hinterfragen“, sagt Hannes Jaenicke, ein deutscher Schauspieler, der sich stark für den Umweltschutz engagiert. „Ich bin viel gereist und habe erlebt, welche Schäden die Wirtschaft der Industrieländer auf der ganzen Welt verursacht. Das Problem wird noch viel zu wenig diskutiert und die Politik schiebt das Thema beiseite.“
Die Zeit zum Umdenken ist längst da. Die Verbraucher müssen ein stärkeres Bewusstsein dafür entwickeln, wie die Baumwolle, aus der ihre Kleidung hergestellt wird, angebaut wird. Andernfalls müssen kommende Generationen den Preis für den, durch konventionelle Landwirtschaft verursachten Schaden zahlen.
Nils Daun
Zwei SEKEM-Bauern über Verantwortung, Chancen und Herausforderungen der Landwirtschaft in Ägypten
Die Zukunft der ägyptischen Landwirtschaft: Vergleichsstudie über die tatsächlichen Kosten von biologischer und konventioneller Lebensmittelproduktion
Das ganze Interview mit Hannes Jaenicke