Gespräch mit den Lehrmeistern Mohamed Saber und Ali Al-Sayed Ali
Ali Al-Sayed Ali und Mohamed Saber.
Mohamed Saber ist Absolvent der Schreinerausbildung bei SEKEM und seit 2011 Leiter der Lehrlingsausbildung. In den letzten Jahren hat er sich vorwiegend mit der Akquisition und Abwicklung von Produktionsaufträgen befasst. Ali Al-Sayed Ali ist später dazugestossen und derzeit der Hauptansprechpartner der Lehrlinge.
Beim Besuch heute ist mir aufgefallen, dass nur fünf Auszubildende anwesend waren. Wo waren die anderen 15 Lehrlinge?
Ali: Das waren die fünf vom dritten Lehrjahr. Die anderen hatten auswärts zu tun.
Man hat den Eindruck, dass auch diese fünf nicht sehr intensiv beschäftigt waren. Sie sollten beim Holzplatz die Stämme bespritzen und entrinden. Ein Lehrling hat die Stämme gespritzt, das Entrinden haben zwei Arbeiter erledigt. Wie steht es mit der Arbeitsplanung?
Mohamed: Wir stehen immer unter Druck, weil ständig Aufträge dringend erledigt werden müssen. Da bleibt keine Zeit für eine detaillierte Wochenplanung. Allenfalls ist eine Planung von Tag zu Tag möglich. Was wir jedoch von den Auszubildenden verlangen, sind tägliche Arbeitsprotokolle. Das gibt ein wenig Einblick in ihre Auslastung.
Heute ist ein Stuhl nach dem ersten Einsatz zurückgekommen, weil er auseinandergefallen ist. Wie man sieht, sind die Holzverbindungen zu wenig präzise ausgeführt. Solche Mängel scheinen früher weniger oft vorgekommen zu sein.
Mohamed: Das ist tatsächlich ein Problem. Beim ständigen Zeitdruck gibt es leider auch Fehlproduktionen.
Fehlproduktionen, die leider auch vorkommen.
Die befragten Lehrlinge haben geäussert, sie würden sich mehr Praxisbezug wünschen: mehr Spielraum bei der Arbeitsplanung.
Ali: Wir berücksichtigen bis zu einem gewissen Grad die individuellen Vorlieben und Fähigkeiten. Wenn jemand zum Beispiel gestalterisches und zeichnerisches Talent hat, kann er auch einmal ein Möbelstück selber entwerfen. Allerdings sind gerade bei der Lehrabschlussprüfung die Grenzen durch die Bildungsbehörden eng gesetzt: ein Stuhl oder ein Tisch in zwei Tagen, nach vorgegebener Zeichnung. Die Möbel nimmt dann übrigens die Regierung an sich.
Ein anderer Wunsch waren Exkursionen oder Praktika in andere Holzverarbeitungsbetriebe, zum Beispiel Möbelfabriken.
Mohamed: Das haben wir bis jetzt tatsächlich nicht geschafft. Wir haben aber einen Möbelhersteller im Auge, den wir bei nächster Gelegenheit besuchen wollen. Das ist immer ein wenig umständlich wegen des Transports.
Gespräch mit Francis Corbat und Felix Auth
Francis Corbat ist ein Schweizer Schreiner, der SEKEM seit 2014 alle ein bis zwei Jahre besucht. Er bringt aus der Schweiz langjährige Erfahrung mit in der Betriebsleitung, dem Möbeldesign und der Ausbildung von Jugendlichen mit psychischen oder sozialen Problemen. Er hat auch diverse neue Maschinen für die Werkstatt beschafft, zuletzt eine Blockbandsäge. Felix Auth ist ein deutscher Schreiner, der unterdessen fest in Ägypten lebt, die Sprache beherrscht und die Verhältnisse bei SEKEM und im Land bestens kennt. Er ist bei SEKEM verantwortlich für den Bereich Holz und hat in den letzten Jahren sowohl im Bereich Bau und Architektur wie im Bereich Ausbildung wichtige Schritte eingeleitet. Für die neue Wüstenfarm Wahat in Baharia wurden sämtliche Holzelemente durch die SEKEM-Schreinerei hergestellt und montiert. Die Wüstenfarm ist ein Beispiel für Nachhaltigkeit nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch beim Bauen durch die Kombination von Holzkonstruktion und Stampflehm. Und das geplante Kompetenzzentrum Holz auf der SEKEM-Farm soll bald Berufsleuten weit über SEKEM hinaus höhere Fachkenntnisse im Holzbereich vermitteln.
Francis Corbat und Felix Auth.
Francis, du warst am Gespräch mit den Ausbildungsverantwortlichen der Schreinerei anwesend. Was ist dein Eindruck?
Francis: Es ist richtig, dass die Umstände nicht einfach und die Mittel begrenzt sind. Aber das darf keine Ausrede sein.
Ausreden? Was zum Beispiel?
Francis: Zum Beispiel der ständige Zeitdruck. Dieser ist ein Stückweit hausgemacht: Mit klaren Wochenplänen könnte man besser den Überblick behalten und bei Bedarf auch begründen, warum einmal ein Auftrag nicht sofort erledigt werden kann. Schliesslich ist neben der Produktion die Ausbildung prioritär.
Wie kann es sein, dass ein untauglicher Stuhl die Werkstatt verlässt?
Francis: Der Zeitdruck ist sicher ein Faktor. Nur: Mit schlecht gewarteten Maschinen kann man nicht präzis und effizient arbeiten und verliert gerade dadurch Zeit. Die Wartung der Maschinen muss deutlich besser werden! Das ist auch eine Frage der Weiterbildung: Tägliche Arbeit erfordert regelmässige Weiterbildung. Ohne Weiterbildung macht sich unweigerlich Selbstgenügsamkeit und Desinteresse breit. Und über allem steht, dass die Ziele noch klarer ausformuliert und klarere Verantwortlichkeiten geschaffen werden.
Die Auszubildenden sind mehrheitlich schlecht ausgerüstet für die tägliche Arbeit: Sie tragen oft keine Schutzkleidung wie stabile Schule, Hörschutz oder Schutzbrillen.
Francis: Das stimmt. In der Schweiz ist die persönliche Ausrüstung Sache der Lehrlinge. Aber hier haben die Lehrlinge und ihre Familien meist nicht das Geld dazu. Hier wäre eine gezielte Unterstützung von aussen sicher sinnvoll.
Was ziehst du für ein Fazit von deinem Aufenthalt?
Francis: Der jetzige Besuch hat mir gezeigt, dass meine Impulse im betrieblichen Alltag noch immer nicht genug nachhaltig sind. Nach einem Jahr ist der Zustand der Maschinen mangels Wartung schlecht, und die Werkstatt macht einen zu wenig organisierten Eindruck. Die neue Blockbandsäge ist nach wenigen Monaten Betrieb in einem schlechten Zustand. Es fehlt an Planung. Es darf nicht sein, dass ich bei jedem Besuch die liegengebliebenen Wartungsarbeiten nachhole. Das ist nicht meine Aufgabe.
Wo siehst du in Zukunft deine Rolle, und die der Schweizer SEKEM-Unterstützer?
Meine Rolle sehe ich darin, dass ich häufiger hinkomme und dabei auch stärker auf die Einhaltung von Abmachungen poche. Ich denke, wenn ich in den nächsten paar Jahren zwei Besuche pro Jahr mache und jeweils ein bis zwei Monate mit den Ausbildenden und Lehrlingen arbeite, dann wird das Ganze auch einmal zum Selbstläufer. Dabei bin ich sehr dankbar, dass ich aus der Schweiz Unterstützung kriege, vor allem für die Finanzierung des Materials und meine Flüge nach Ägypten. Besonders hervorheben möchte ich die Ramsay-Stiftung, die uns ihre Website zur Verfügung stellt und uns beim Spendensammeln unterstützt
Felix, das geplante Kompetenzzentrum Holz auf der SEKEM-Farm soll bald Berufsleuten weit über SEKEM hinaus höhere Fachkenntnisse im Holzbereich vermitteln. Wie siehst du da die Rolle der bestehenden Schreinerei?
Felix: Es haben Absolventen der Schreiner-Lehrwerkstatt schon mehrmals den Wunsch geäussert, sich nach ihrer Ausbildung weiter ausbilden zu lassen. Sie sind damit ein Teil der Kundschaft des zukünftigen Kompetenzzentrums. Damit sie auch vorbildliche Studierende sind, ist die Qualität der Grundausbildung bei SEKEM unverzichtbar. SEKEM unterstützt die Bemühungen um die Qualitätssicherung in der Schreinerei.
Wie ist das Angebot des Kompetenzzentrums gedacht?
Felix: Es soll eine höhere Ausbildung sein, etwa entsprechend dem österreichischen Meister oder der höheren Fachschule in der Schweiz. Damit die Absolventen im Beruf bleiben und das Gelernte laufend umsetzen können, wird die einjährige Ausbildung nicht in einem Stück, sondern in vier Blöcken zu drei Monaten stattfinden.
Woher nehmt ihr das Lehrpersonal?
Felix: Dieses wird zum Teil aus dem SEKEM-Umfeld kommen, stark aber auch von aussen. Das Problem ist die starke Einflussnahme der Regierung. Wir können uns beispielsweise nicht immer wehren, wenn ungeeignete Lehrpersonen hingeschickt werden.
Was unterscheidet die Ausbildung im Kompetenzzentrum von derjenigen der Schreinereiwerkstatt?
Felix: Bisher hatten wir eine Grundausbildung, die über die Produktion in der Werkstatt auch praxisorientiert war. Das Kompetenzzentrum bietet eine höhere Ausbildung für Schreinerinnen und Schreiner, die an vielen verschiedenen Orten im Beruf stehen. Dabei werden auch Themen behandelt, die in der hiesigen Grundausbildung nicht vorkommen, zum Beispiel Kostenrechnung oder Betriebsführung. Erweiterte Möglichkeiten wird auch der neue Maschinenpark eröffnen. Neben den Einzelanfertigungen wird Serienproduktion ein wichtiger Pfeiler sein.
Francis: Es kann zum Beispiel sinnvoll sein, wenn das Kompetenzzentrum grosse Serien von Halbfabrikaten herstellen, die dann in Kleinschreinereien weiterverarbeitet werden.
Felix und Francis, vielen Dank für das Gespräch! SEKEM befindet sich auf dem Holzweg, aber dies im positiven Sinn des Wortes!
«Selfie» von Basma Hassan, Kommunikationsverantwortliche bei SEKEM.