Jedes Jahr erreicht die Menschheit den Erdüberlastungstag, das heißt, den Tag, ab dem mehr natürliche Ressourcen verwendet werden, als die Natur in dem Jahr nachliefern kann, früher. 2020 ist dies erstmals seit langer Zeit nicht der Fall, denn die Corona-Pandemie hat die Welt über Wochen lang lahmgelegt und in den Ausnahmezustand versetzt. 2019 war der Erdüberlastungstag am 29. Juli, 2020 erreichen wir ihn erst am 22. August. Schätzungen gehen davon aus, dass der Welterschöpfungstag allerdings ohne die Corona-Krise 2020 bereits auf den 3. Mai gefallen wäre. Fest steht, dass die natürlichen Ressourcen dieser Welt, auf die wir Menschen angewiesen sind, in rasanter Geschwindigkeit schwinden. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass vor allem der globale Norden sich zu einer Wegwerfgesellschaft entwickelt hat, in der immer größere Mengen an Müll produziert werden, wodurch Rohstoffe komplett verloren gehen. Schätzungen der Weltbank zufolge sollen bis 2050 sogar noch 70 Prozent mehr Müll produziert werden als heute, wenn sich nicht etwas Grundlegendes im Verhalten der menschlichen Aktivitäten ändert. Dabei sind Lösungen für einen Wandel gar nicht so schwer zu finden und es gibt bereits Konzepten, die uns vormachen, wie es besser funktionieren kann.
Müll ist wertvoller Rohstoff am falschen Ort
Wie so oft zeigt uns die Natur selber den idealen Lösungsweg. In der Natur gibt es keine Abfälle. Alle Stoffe sind Teil eines Kreislaufs – der Abfall des einen wird zur Nahrung des anderen Organismus beziehungsweise ist Müll nur ein wertvoller Rohstoff am falschen Platz. Dieser natürliche Kreislauf ist Vorbild der sogenannten „Kreislaufwirtschaft“. Dabei geht es darum, Müll wertvoll zu machen, sodass kein Rohstoff verloren geht, sondern in andere Form einen Nutzen erfüllt. Relativ einfach ist dies am Beispiel einer kompostierbaren Verpackung zu erklären, die dem Boden zurückgeführt werden kann und damit wieder als Nahrung für Pflanzen dienlich ist.
Um diese zu erreichen bezieht die Kreislaufwirtschaft den kompletten Herstellungs- und Nutzungsprozess mit ein. Produkte werden als Nähr- und Rohstoffträger verstanden, deren Grundstoffe immer wieder auf’s Neue genutzt werden können. Und das beginnt bereits beim Design. Hier geht es darum, ausschließlich Produkte mit wiederverwendbaren Materialien zu entwickeln, also etwa mit recycelbaren Rohstoffen, oder hochwertigen Wertstoffen, die nach dem Ende der Nutzung des Produkts bei der Herstellung eines neuen zum Einsatz kommen können. Außerdem sind effiziente Herstellungs- und Verarbeitungstechniken von Bedeutung etwa durch den Einsatz von Abwasser oder -wärme. Des Weiteren konzentriert sich die Kreislaufwirtschaft auf die verlängerte Lebensdauer von Produkten zum Beispiel durch Teilen, Reparieren, Wiederverwendet oder Umfunktionieren. Und schließlich geht es um Wiederverwertung; also die Grundstoffe aus gebrauchten Produkten wiederzugewinnen und wieder oder neue einzusetzen. Anstelle der Wegwerfgesellschaft will die Kreislaufwirtschaft sozusagen eine „Zurückbringgesellschaft“ stellen. Produkte sollen so gestaltet sein, dass sie dem Hersteller zurückgegeben werden können und dieser aus den Einzelteilen eine langlebige neue Ware produzieren kann.
Cradle to Cradle – Vom Ursprung zum Ursprung
Ende der 1990er Jahre wurde von dem deutschen Chemiker Michael Braungart und dem US-amerikanischen Architekten William McDonough das Cradle-to-Cradle-System entwickelt, dass als Ansatz für eine konsequente Kreislaufwirtschaft verstanden werden kann. Auf Grundlage dieser Philosophie wurde in Deutschland 2012 der Cradle to Cradle e. V. (C2C) gegründet. Der gemeinnützige Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht Lobbyarbeit für die Kreislaufwirtschaft zu betreiben, etwa über den regelmäßig stattfindenden internationalen „Cradle to Cradle Congress“, oder die „C2C-Akademie“. SEKEM unterstützt die Aktivitäten des Vereins vielfältig, etwa als Mitglied des Beirates oder durch Teilnahme an den Konferenzen. Am 3. September wird SEKEM-Geschäftsführer Helmy Abouleish im Live-Talk mit dem C2C-Geschäftsführer Tim Janßen zum Thema Kreislaufwirtschaft zu hören sein.
Für SEKEM ist die Förderung der Kreislaufwirtschaft ein Schlüsselthema für eine nachhaltige Zukunft. Daher besteht eines der SEKEM-Zukunftsziele für 2057 darin, intern alle Aktivitäten im Sinne der Kreislaufwirtschaft umzugestalten und in Ägypten möglichst viele andere Unternehmen mit dem Ansatz vertraut zu machen. Hilfreich dabei ist auch die „C2C-Zertifizierung“, die Auskunft darüber gibt, inwiefern die Ansprüche einer Kreislaufwirtschaft von Produkten und Unternehmen erfüllt werden. Folgende fünf Hauptkriterien werden bewertet: Materialgesundheit, Kreislauffähigkeit, Einsatz von erneuerbaren Energien, verantwortungsvoller Umgang mit Wasser und soziale Gerechtigkeit. SEKEM möchte bis 2057 alle Produktionsprozesse und Aktivitäten C2C zertifizieren lassen.
Live-Talk zum Thema Kreislaufwirtschaft mit Helmy Abouleish: 3. September, 17 Uhr