Artikelreihe über SEKEMs Bekämpfung der Wüstenbildung in den vier Dimensionen der nachhaltigen Entwicklung
In der weithin bekannten Geschichte „Der kleine Prinz“, geschrieben von Antoine de Saint-Exupéry, stürzt der Erzähler mit seinem Flugzeug mitten in der Sahara ab, weit entfernt von jeglicher Zivilisation. Er könnte in Ägypten sein. Denn, mehr als 90 Prozent des Landes bestehen aus Wüste. Der wenige fruchtbare Boden befindet sich rund um den Nil, der sich vom Süden in den Norden des Landes zieht, wo er schließlich ins Mittelmeer mündet.
Die meisten Menschen haben sich entlang des kostbaren Wassers im Niltal oder -delta niedergelassen, das als größte Oase der Welt gilt, gleichzeitig aber nur 6 % des ägyptischen Landes ausmacht. Bereits vor 50 Jahren, als die Bevölkerung aus rund 30 Millionen Menschen bestand, war das Leben in dem Wüstenland schon eine Herausforderung. Heutzutage hat sich die Anzahl der Bevölkerung verdreifacht – der Anteil fruchtbaren Bodens ist allerdings gleich geblieben. Zusätzlich führen der fortschreitende Klimawandel, eine nicht nachhaltigen Landwirtschaft, fehlende Müllentsorgung, Verschwendung von Wasser oder kurzfristige Finanzierungslösungen in Verbindung mit dem fehlenden Bewusstsein über die Folgen zu weiterer Wüstenbildung.
Wasser – das ägyptische Gold
Ägypten ist auf dem besten Weg immer mehr zu einer trostlosen Wüste zu werden. Das kostbare Land im Nildelta droht durch die Erhöhung des Wasserspiegels im Mittelmeer zu versalzen. Der Nil verliert kontinuierlich Wasser, sodass er dem Druck des Meeres immer weiter weicht. Das Land leidet unter Wasserknappheit und befindet sich bereits unter der von den Vereinten Nationen festgelegten Wasserarmutsgrenze (1.000 Kubikmeter Wasser pro Kopf/Jahr). Die jährliche Wasserversorgung in Ägypten sank von 2.500 Kubikmeter im Jahr 1967 auf durchschnittlich 660 Kubikmeter pro Person im Jahr 2013. Es wird prognostiziert, dass 2025 die Wasserressourcen Ägyptens erschöpft sind.
Die ägyptische Bevölkerung leidet zwar nicht unter Durst, aber es fehlt an Nahrungsmitteln. Alleine die Landwirtschaft verbraucht 85 % der 68 Milliarden Kubikmeter Wasser, die Ägypten zur Verfügung hat. Durch geringe Niederschlagsmengen ist das Land auf künstliche Bewässerung angewiesen. Die zunehmende Wasserknappheit wird also zu einer steigenden Gefahr. Ägypten ist von Nahrungsmittelimporten abhängig, wodurch die Lebensmittelpreise steigen und die Bevölkerung weiter verarmt. So würde die inländische Produktion der benötigten Weizenmenge beispielsweise bereist ein Viertel der jährlichen Wasserressourcen Ägyptens verbrauchen.
Neben dem Wassermangel leidet der Nil, Ägyptens einzige zuverlässige Quelle für Leben, unter der Verschmutzung zunehmender Abfälle und Chemikalien aus der Landwirtschaft. Die vorrübergehende Steigerung der Ernte durch künstliche Düngermittel, führt langfristig zur Zerstörung des Landes. Ein Zyklus von kurzfristigen Lösungen, die die Lage schlussendlich weiter verschlechtern.
Fehlendes Land und die Auswirkungen auf Gesellschaft, Wirtschaft und kulturelles Leben
Ähnliche Zusammenhänge finden sich auch bei den Auswirkungen, die Wüstenbildung auf die Gesellschaft hat. Die Arbeitslosenrate ist 2015 auf über 13 % angestiegen. Zwei von drei Ägyptern zwischen 20 und 34 Jahren sind arbeitslos. 29 % der erwerbstätigen Bevölkerung ist im Landwirtschaftssektor beschäftigt, der wiederum nur rund 13 % des ägyptischen Bruttoinlandsproduktes ausmacht. 25 % Prozent der Ägypter leben unterhalb der nationalen Armutsgrenze.
Armut und große Einkommensunterschiede üben Druck auf die wirtschaftliche und politische Situation im Land aus.Das aktuelle Bildungssystem erfüllt noch nicht einmal die Grundbedürfnisse. 25 % der ägyptischen Bevölkerung sind Analphabeten. Das überrascht nicht wenn nur 3,8 % des Bruttoinlandsproduktes für Bildung ausgegeben werden. Die Folge sind überfüllte Klassen und unterbezahlte Lehrer, die gezwungen sind Nachhilfeunterricht zu geben, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Eine unfaire und zugleich gefährliche Entwicklung für die Zukunft des kulturellen Lebens in Ägypten.
Ägyptens Wüste wächst. Das nutzbare Land wird durch fehlende Wasserressourcen, Verschmutzung und den Klimawandel immer weniger. Das wiederum führt zu ansteigenden Lebensmittelpreisen, Armut und Migration. Wirtschaftliche und gesellschaftliche Herausforderungen verursachen enorme Einbußen im Bildungssystem, das die Basis für eine zukünftige Weiterentwicklung darstellt. Nicht nur die Wüste scheint ein trockenes und dürres Land zu sein; sie steht symbolisch für die gesamte Situation Ägyptens.
Jede Wüste birgt einen Brunnen
Aber: „Was die Wüste so schön macht ist, dass sich irgendwo ein Brunnen verbirgt“, sagt der kleine Prinz in dem gleichnamigen Roman. Und er hat Recht – es gibt in der Wüste Brunnen, selbst in Ägypten. Sie müssen nur gefunden werden und das kostbare Wasser muss sorgfältig und mit dem richtigen Bewusstsein eingesetzt werden, um die ägyptische Wüste wieder in fruchtbares Land zu verwandeln.
Die SEKEM Initiative versucht einer dieser Brunnen zu sein, indem sie nicht nur direkt Wüstenboden bewässert, urbar macht und nachhaltig bepflanzt, sondern gleichzeitig auch eine faire Wirtschaft und eine gleichberechtigte Gesellschaft fördert, die auf einem kulturellem Fundament wächst, das menschliche Würde reflektiert. Denn: Wenn Ägypten zu einer kompletten Wüste würde, dann würden die Menschen keine Lebensmittel mehr haben und krank werden. Soziale Unruhen würden entstehen und schließlich wäre alles Leben gefährdet.
Christine Arlt
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