Der deutsche Schauspieler und Umweltaktivist Hannes Jaenicke war kürzlich in SEKEM zu Gast. Im Interview mit den SEKEM News erzählt er von seinem neuen Projekt mit der Initiative, von den Vorteilen, die das Promi-Dasein wirklich mit sich bringt und verrät was er an SEKEM schätzt.
SEKEM News: Wir freuen uns sehr, dass Du bei SEKEM zu Gast bist. Was genau ist der Grund Deines Besuches?
Hannes Jaenicke: Ich arbeite schon lange mit dem deutschen dm drogerie-markt zusammen, der wiederum seit etlichen Jahren mit SEKEM kooperiert. SEKEMs Firma NatureTex stellt aus Bio-Baumwolle Kinderkleidung und Puppen für dm her. Zusammen mit dm haben wir das Konzept entwickelt, eine Dokumentation über den Kreislauf von Baumwolle zu produzieren – vom Samen bis zum fertigen Kleidungsstück. Die SEKEM-Bauern pflanzen die Bio-Baumwolle an und NatureTex verarbeitet sie zu wunderschönen Textilien. Daher lag es auf der Hand, diesen Film mit SEKEM zu drehen. Neben dem 100-prozentig biologischen und damit gesunden Anbau für Umwelt und Menschen, investiert SEKEM zusätzlich in die Mitarbeiter und setzt sich für deren Wohl und Entwicklung ein. Ein perfekter Drehort, um den Unterschied zwischen der konventionellen Baumwollverarbeitung und den Vorteilen eines Bio-zertifizierten Kleidungsstückes zu demonstrieren. Gerade haben wir drei Tage lang die Baumwollernte auf den Feldern gedreht, im Oktober geht es mit der Verarbeitung weiter.
SN: Du bist zum ersten Mal in SEKEM. Wie ist der erste Eindruck?
H.J.: Ich bin total überrascht, was für ein Musterbetrieb SEKEM ist. Es müsste viel mehr solcher Unternehmen geben. Nicht nur in Entwicklungs- oder Schwellenländern wie Ägypten, sondern auch in der westlichen Welt. Wir brauchen mehr Menschen, vor allem Unternehmer, die wirklich ganzheitlich denken, so wie es bei SEKEM der Fall ist. Hier werden die Auswirkungen, die die Herstellung von Produkten auf Umwelt und Menschen hat, wirklich bedacht. Durch biologischen Anbau wird die Umwelt geschont und durch die vielen kulturellen und sozialen Aktivitäten werden die Mitarbeiter gefördert anstatt ausgebeutet. Ein großartiges Projekt, das umso erstaunlicher ist wenn man bedenkt, dass das Ganze mitten in der Wüste entstanden ist.
“Ich bin total überrascht, was für ein Musterbetrieb SEKEM ist.”
SN: Wie Du sehr rasch erkannt hast, möchte SEKEM nachhaltige Entwicklung in vier Dimensionen fördern – in Wirtschaft und Ökologie ebenso wie im gesellschaftlichen und kulturellen Leben. Kannst Du nachempfinden, warum SEKEM mit diesem ganzheitlichen Ansatz arbeitet?
H.J.: Absolut. Ich bin jetzt schon der Meinung, dass all die Großkonzerne, die glauben sie könnten der Umwelt und uns Menschen alles zumuten, ihre Manager nach SEKEM schicken sollten, um ihnen zu zeigen, dass Wirtschaft auch erfolgreich sein kann wenn Verantwortung und Rücksicht auf alle Beteiligten genommen wird. SEKEM ist ein sehr ermutigendes Beispiel und für mich persönlich, als kritischer Konsument, ein Funken Hoffnung: Es kann tatsächlich Geld verdient werden ohne anderen dabei Schaden zuzufügen.
SN: In SEKEMs ganzheitlicher Vision spielt Kunst eine große Rolle. Neben dem nachhaltigen Umgang mit Umwelt und Wirtschaft fördert SEKEM gesellschaftliche Entwicklung und die des Individuums. Für wie wichtig hältst Du als Schauspieler die Kunst?
H.J.: Für sehr wichtig natürlich! Ich selber bin mit beidem aufgewachsen – Naturwissenschaft und Kunst. Mein Vater war Biochemiker und meine Mutter Musikerin. Musik, Theater oder Literatur sind für mich von elementarer Bedeutung und ich bin überzeugt davon, dass jede Form von Wirtschaft, die denkt, sie könnte ohne Kunst auskommen, einen Fehler macht. Apple-Gründer Steve Jobs hat nicht ohne Grund nach Softwareentwicklern gesucht, die musisch oder künstlerisch begabt sind. Kreativität macht erfolgreich. Gleichzeitig schafft Kunst auch Wertschätzung und Respekt.
“Kunst und Kultur sind von großer Bedeutung in allen Lebensbereichen – davon bin ich überzeugt.”
Müssten die Menschen hier in SEKEM beispielsweise nur unter Druck arbeiten und möglichst viel Baumwolle pflücken oder Teebeutel verpacken, fühlten sie sich nicht mehr wertgeschätzt. Wenn sie aber zwischendurch an kulturellen Aktivitäten teilnehmen und dadurch Aufmerksamkeit für etwas anderes als nur ihre Arbeitsleistung bekommen, steigt auch ihre Motivation. Ähnlich ist das auch bei dm – die Mitarbeiter sind freundlich und zufrieden weil sie ganzheitlicher wahrgenommen und behandelt werden als in vielen konventionellen Unternehmen. Kunst und Kultur sind von großer Bedeutung in allen Lebensbereichen – davon bin ich überzeugt.
SN: Hauptberuflich bist Du Schauspieler und darin sehr erfolgreich. Seit einigen Jahren setzt Du Dich aber ausgiebig für ökologische und soziale Angelegenheiten ein. Wann und warum hast Du Dich zu diesem Engagement entschieden?
H.J.: Das hat verschiedene Gründe. Ich bin durch die ganze Welt gereist und habe überall gesehen, was die Wirtschaft der Industriestaaten in anderen Ländern anrichtet. In den deutschen Medien wird das Problem immer noch viel zu wenig thematisiert und die Politik delegiert vieles weg. Außerdem habe ich 1986, als der Chemiekonzern Sandoz den Rhein vergiftete, in Köln gelebt und miterlebt, wie nach dem Fischsterben andere Unternehmen noch mehr Müll in den Fluss entsorgt haben – daraufhin bin ich bei Greenpeace aktiv geworden. Generell gehöre ich zu einer Generation, in der das Bewusstsein für die Umwelt immer mehr zugenommen hat – für mich ist es eine Selbstverständlichkeit, unseren Lebensraum zu schützen.
SN: Trotzdem engagieren sich nach wie vor verhältnismäßig wenige Deiner Kollegen für diese eher unangenehmen Themen. Denkst Du trotzdem, dass es als Personen des öffentlichen Lebens von noch größerer Bedeutung ist etwas zu tun und als positives Beispiel voranzugehen?
H.J.: Auf jeden Fall. Für mich ist der einzige Luxus am Promi-Dasein, dass man eine Stimme hat, die von vielen gehört wird. Im angelsächsischen Raum ist soziales Engagement und Umweltschutz in meiner Branche ein viel größeres Thema als bei uns in Deutschland. Leonardo DiCaprio oder George Clooney sind wunderbare Beispiele dafür, dass man durch den Zugang zu einer breiten Öffentlichkeit wirklich etwas bewegen kann. Fernsehen ist ein perfektes Medium dafür die Menschen nicht nur zu unterhalten, sondern zu informieren und aufzuklären. Leider läuft aber viel zu viel Schwachsinn im deutschen Fernsehen. Mein Wunsch ist es, dem etwas entgegenzusetzen und mit Formaten, die Missstände aufzeigen, zu informieren und Bewusstsein zu fördern.
“Für mich ist der einzige Luxus am Promi-Dasein, dass man eine Stimme hat, die von vielen gehört wird.”
SN: Generell scheinen viele Menschen nicht so recht zu wissen, wie sie ein nachhaltiges Leben führen können, wenngleich das Interesse und Bewusstsein immer stärker wächst. Wie handhabst Du das im Alltag?
H.J.: Der Geldbeutel der Verbraucher ist eine viel stärkere Waffe als viele denken. Ich boykottiere die großen Markenkonzerne, die die größten Gegner von Nachhaltigkeit sind und kaufe fast ausschließlich in Bioläden. Kleidung trage ich bis sie auseinander fällt und versuche wenig Strom zu verbrauchen indem ich beispielsweise auf überflüssige Geräte wie Wäschetrockner verzichte. Jeder hat unzählige Möglichleiten, auch die Menschen in Ägypten. Hier wäre es schon ein großer Schritt wenn kein Plastik mehr in die Umwelt geschmissen würde – die Massen an Müll, die hier am Straßenrand liegen, sind wirklich ein unvorstellbares Verbrechen an der Natur.
SN: Du bist zwar zum ersten Mal in SEKEM, warst aber schon mehrfach in Ägypten. Was gefällt Dir besonders an Land und Kultur?
H.J.: Ägypten ist ein faszinierendes Land. Ich bin sehr gerne hier und habe großartige Menschen kennengelernt. Besonders interessant finde ich es, dass die koptischen Christen und die Muslime erstaunlich friedlich koexistieren.
SN: Und wo siehst Du die größten Herausforderungen des Landes?
H.J.: Ägypten befindet sich auf einem schwierigen Weg. Besonders das rasante Bevölkerungswachstum ist eine große Herausforderung, gegen die dringend etwas getan werden muss – Bildungspolitik steht dabei an erster Stelle. Das Land hat politisch bewegte Zeiten hinter sich und befindet sich im Umbruch. Momentan ist es friedlich und das erachte ich schon als großen Fortschritt im Vergleich zu anderen islamischen Staaten. Ich bin sehr neugierig und gespannt, wie es in Ägypten weitergeht und schätze auch in diesem Zusammenhang die Arbeit von SEKEM sehr.
SN: In dieser Zeit des Umbruchs ist einerseits viel möglich, andererseits fehlt es jungen Menschen auch an Motivation. SEKEM ist als Beispiel bekannt, dass es sich lohnt auch unmöglich scheinende Situationen anzugehen. In Deinem Leben gab es sicherlich auch viele Hürden – gerade wenn Du Dich für die Umwelt einsetzt, wirst Du bestimmt selten Hoffnungsvolles erleben. Woher nimmst Du die Zuversicht und warum lohnt es sich trotzdem sich zu engagieren?
H.J.: Zunächst einmal sollte jeder einzelne die Konsum- und Wegwerfgesellschaft hinterfragen. Dabei zeigt sich schnell, dass etliches völlig schief läuft und, dass etwas getan werden muss. Dann sollte man sich so viel Bildung wie möglich besorgen. Auch hier in Ägypten sind Möglichkeiten vorhanden und zugänglich. Und dann kann und sollte sich jeder nach seinen Möglichkeiten engagieren. Dadurch hilft man sich und anderen – und wer sich um das Wohl seiner Umgebung und Mitmenschen kümmert, wird automatisch auch selber zufriedener. Ich lebe seit 25 Jahren in den USA und erlebe dort wie Menschen ermutigt werden ihre Träume zu verfolgen. In Deutschland wird man dagegen leider eher entmutigt – ähnlich stelle ich es mir in Ägypten vor. Ich rate aber trotzdem jedem seine Visionen zu verfolgen, egal wie aussichtslos sie erscheinen. All die großen Visionäre haben ihre Ideen über ungewöhnliche Wege realisiert, weil sie daran geglaubt haben.
Interview: Christine Arlt
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