Nashwa Ahmed Ibrahim war schon während Schulzeiten eine begeisterte Leichtathletin. Ihre Lehrer unterstützen sie allerdings wenig; einmal untersagten sie ihr sogar die Teilnahme an einem Wettkampf in der Nationalliga. Seither ist es Nashwa ein großes Anliegen das Bewusstsein für die Bedeutung von Sport und Bewegung zu stärken – unter Pädagogen ebenso wie bei Schülern und Studierenden.
Nachdem Nashwa Ahmed ihr Sportstudium abgeschlossen hatte, bewarb sie sich an verschiedenen Schulen in der Nähe ihres Heimatortes Belbeis, nahe der SEKEM Farm. Im Gegensatz zu ihren Kollegen versuchte sie nicht, ihre potenziellen Arbeitgeber von sich zu überzeugen, sondern wollte sich vielmehr von den Inhalten der ausgeschriebenen Stellen überzeugen lassen; sie suchte nach einem Ort, der eine ähnliche Vision wie die ihre hatte. “Als ich nach SEKEM kam, war mir sofort klar, dass ich hier einen solchen Ort gefunden hatte”, erzählt Nashwa. Und in SEKEM schien eine ähnliche Meinung zu herrschen – sie wurde nämlich umgehend eingestellt.
Als die neue Sportlehrerin dann an den ersten Fortbildungen für Lehrer teilnahm, war sie zunächst etwas überrascht: “Ich erfuhr was ‘Eurythmie’ bedeutet und drei Wochen später stand ich schon mit meinen Kollegen auf der Bühne statt auf dem Sportplatz.” Schon nach kurzer Zeit gab die SEKEM-Lehrerin keine Sportkurse mehr, sondern Eurythmie-Unterricht. “Anfangs fand ich Eurythmie sehr seltsam und habe nicht so richtige verstanden, was ich da eigentlich lerne. Das hat sich dann aber bald geändert “, erinnert sich Nashwa. Acht Jahre lang nahm Nashwa Ahmed täglich jeden Morgen eine Stunde Eurythmie-Unterricht und erhielt bald ihr Diplom. Momentan macht sie sogar ihren Master über ein Fernstudium an der Alanus Hochschule in Deutschland. „Nach meinem ersten Auftritt war ich mir zunächst sicher, dass Eurythmie nicht das richtige für mich ist. Meine Lehrer Martina Dinkel und Christophe Graf überzeugten mich aber, das erste Ausbildungsjahr zu beenden, um dann eine kompetentere Entscheidung treffen zu können,” erinnert sich die …-Jährige. “Und sie hatten Recht: Am Ende des Jahres wusste ich, dass Eurythmie ein großer Teil meines Lebens sein sollte.”
Verliebt in SEKEM
2011 fand Nashwa auch ihr privates Glück in SEKEM. Sie verliebte sich in den Pianisten und Musiklehrer-Kollegen Sherif Moustafa. Die beiden SEKEM-Mitarbeiter heirateten und bekamen bald ihr erstes Kind Youssef. Das junge Paar lebte in Kairo und pendelte jeden Tag rund 60 Kilometer zur SEKEM Schule, um dort zu arbeiten. Bald wurde deutlich, dass der lange Weg zur Arbeit mit Kind zu strapaziös ist und als Sherif dann an das Konservatorium in Kairo berufen wurde, entschied sich auch Nashwa ihre Anstellung an der SEKEM Schule aufzugeben. Ibrahim Abouleish, der Gründer und damalige Leiter SEKEMs war damit allerdings keineswegs einverstanden. “Er rief mich an und machte mir den Vorschlag anstatt auf der SEKEM Farm, an der Heliopolis Universität in Kairo zu unterrichten. Das Angebot machte mich sehr glücklich und besonders gerührt war ich über seine persönliche Bemühung, mich in SEKEM zu halten”, berichtet Nashwa. Auch als das junge Paar bald ihr zweites Kind, die Tochter Sophia bekam, war es wieder Ibrahim Abouleish, der Nashwa den Vorschlag machte, das Kind mit zur Arbeit zu bringen, damit sie ihrer Berufung weiter nachgehen konnte.
Ein neues Kapitel an der Heliopolis Universität
Die Arbeit an der Heliopolis Universität war eine ganz neue Erfahrung für Nashwa, die auch Herausforderungen mit sich brachte: “Mir war der große Unterschied zwischen dem Unterrichten von Schülern und Studierenden zunächst nicht bewusst. Ich war am Anfang immer sehr aufgeregt, wenn ich mit den jungen Leuten zu tun hatte”, verrät die Eurythmie-Pädagogin. „Kinder sind wie ein leeres Blatt Papier, dass sich verhältnismäßig einfach gestalten lässt; sie sind für alles offen. Teenagern und Erwachsene sind bereits vorgeprägt, was sich stark über ihrer Wahrnehmung äußert.” Die SEKEM-Mitarbeiterin macht zum Beispiel Übungen mit den Studierenden, die ihre Wahrnehmung schulen sollen, etwa die sogenannte Baumübung. Dabei sollen die Teilnehmenden einen Baum beschreiben. “Meistens nennen fast alle die Farben Braun und Grün, obwohl vor ihnen ein Baum ohne Blätter mit einem hell-beigen Stamm steht”, erklärt Nashwa. “Die Studierenden beginnen dadurch ihren Blick und ihre Wahrnehmung neu zu hinterfragen.”
Für Nashwa Ahmed steht fest: in der Bildung geht es nicht nur um das Unterrichten, sondern ebenso darum Verständnis und Zuneigung für die Lernenden aufzubringen und sie zu ermutigen. Mit diesem Ansatz und über die Eurythmie möchte sie weiterhin einen Beitrag zur Veränderung sowohl in der Lehre als auch im Lernen leisten.
Nadine Greiss