Besuch bei der SEKEM-Schreinereiwerkstatt / 1. Teil

Die Schreinerei-Produktions- und Ausbildungswerkstatt bei SEKEM ist seit vielen Jahren im Bereich Bauschreinerei und Möbelherstellung tätig, einerseits für die zahlreichen Ausbauprojekte von SEKEM, aber auch für den externen Markt. Zudem ist die Werkstatt ein Zentrum für die Ausbildung von Schreinerinnen und Schreinern. Dieser wichtige Zweig hat 2012 einen grossen Schritt nach vorne gemacht: Aus der Schweiz gelangten fünf Tonnen Schreinereimaschinen und weiteres Zubehör nach Bilbeis. Das Ziel war, diese Ausrüstung nicht „in den Sand“ zu setzen, sondern damit eine eigenständige Entwicklung anzustossen. Natürlich braucht dies über Jahre eine fachliche Begleitung, und da hat die Schweiz als Holzland einiges zu bieten. 2014 kam erstmals der Schreiner Francis Corbat für einen längeren Aufenthalt auf die SEKEM-Farm. Die Leistungen der ägyptischen Schreiner haben ihn sofort beeindruckt, und er konnte auch seinerseits viele Impulse geben. Seither ist er mehrmals wieder nach Ägypten gereist. Er hat auch die Beschaffung von weiteren Maschinen veranlasst, zuletzt eine Blockbandsäge, mit der man ganze Baumstämme zu Brettern sägen kann.

Gespräch mit den drei Auszubildenden Salma, Shirihan und Mustafa


Francis Corbat, Fausi Marti, Angela Hofmann, Salma, Shirihan, Mustafa

Bitte stellt euch kurz vor! Wie seid ihr auf den Schreinerberuf gekommen, und wohin wollt ihr gelangen?

Salma: Ich komme aus Bassatin bei Bilbeis und bin im ersten Lehrjahr. Auf die Ausbildung wurde ich aufmerksam durch Absolventen der Schreiner-Lehre. Mir gefällt dieser Beruf: Er ist zukunftsoffen. Ich könnte mir vorstellen, in fünf Jahren bei SEKEM zu arbeiten oder auch eine eigene Schreinerei aufzumachen. 

Shirihan: Ich komme auch aus Bassatin und habe durch Absolventen von der Ausbildung erfahren. Mir gefällt die Vielseitigkeit des Berufs, es gehören auch Mathematik und Zeichnen dazu. Mein Traum wäre, mich an der Uni weiterzubilden und einmal Architektin zu werden.

Mustafa: Auch ich bin aus Bassatin. Meine Geschwister haben hier Ausbildungen gemacht, aber nicht bei der Schreinerei. Mir gefällt die Vielseitigkeit der Holzprodukte. Wenn ich einen guten Abschluss mache, dann werde ich vielleicht einmal an die Uni gehen und Architekt werden. Aber das ist alles noch sehr offen.

Früher wurden ausschliesslich Jungs als Schreiner ausgebildet. Dieses Jahr sind es mehr Mädchen als Jungs. Wie findet ihr die Ausbildung von Jungs und Mädchen zusammen?

Salma: Ich finde das gut. Beide Seiten bemühen sich, Verantwortung zu übernehmen und zu zeigen, dass sie etwas können.


Salma, Shirihan und Mustafa in der Werkstatt.

Wie sieht euer Ausbildungsalltag aus? Sind der praktische und der theoretische Unterricht gut miteinander verknüpft?

Shirihan: Wir arbeiten und lernen vier Tage in der Werkstatt. Dazu kommen zwei Tage mit Unterricht Im Klassenzimmer. Ein Tag ist für berufskundliche Themen wie Zeichnen, Arbeitsorganisation, Materialkunde oder Fachbegriffe reserviert, der andere Tag für Englisch und Arabisch sowie Religion.

Mustafa: Ja, ich finde das Zusammenspiel von Theorie und Praxis gut. Ich kann einige der berufskundlichen Inhalte in der Werkstatt umsetzen. 

Ihr habt sechs Tage Unterricht, aber dafür seid ihr jeden Tag um halb drei Uhr nachmittags fertig. Was macht ihr, wenn ihr nach Hause kommt?

Mustafa: Ich ruhe mich aus, dann verrichte ich das Nachmittagsgebet. Oft sind Hausaufgaben zu erledigen, Mathematik oder Zeichnen. Manchmal muss ich auch helfen, zum Beispiel in der Landwirtschaft.

Salma: Bei mir kommt auch zuerst das Nachmittagsgebet, dann die Hausaufgaben. 

Shirihan: Das Nachmittagsgebet, natürlich. Ich muss dann nach den Hausaufgaben auch für die Familie kochen und zu meinen kleinen Geschwistern schauen.

Was gefällt euch an eurer Ausbildung besonders?

Salma: Mir gefällt eigentlich alles.

Shirihan: Mir gefallen die praktischen Arbeiten wie Schmirgeln oder Anstreichen. Manchmal können wir auch zeichnen. Und überhaupt können wir oft mitreden bei der Planung.

Mustafa: Am meisten gefällt mir das Herstellen und Zusammensetzen von Stühlen mit Lehrmeister Ali.

Shirihan und Mustafa, wie sieht euer Lehrabschluss aus? Habt ihr Wahlmöglichkeiten?

Shirihan: Nein, wir müssen ab Zeichnung in zwei Tagen einen Tisch oder einen Stuhl herstellen.

Mustafa: Das ist glaube ich eine Vorgabe von oben, das müssen alle Ausbildungsbetriebe gleich machen.

Habt ihr Vorschläge oder Wünsche, wie man die Ausbildung noch besser gestalten könnte?

Salma: Eine kleine aber wichtige Sache: Wir Mädchen brauchen einen Raum, um unsere Sachen zu versorgen. Ferner haben nicht alle die nötige Ausrüstung: Gehörschutz, Arbeitshandschuhe, gute Schuhe und anderes. Das ist für viele zu teuer, und die Werkstatt kann es nicht zur Verfügung stellen. 

Mustafa: Beim Lehrabschluss sollte es mehr Gestaltungsmöglichkeiten geben. Wer mag, sollte auch selber ein Holzprodukt entwerfen und herstellen können.

Shirihan. Wir möchten gerne wissen, wie anderswo gearbeitet wird. Warum gibt es keine Besuche oder Praktika bei Möbelfabriken oder anderen holzverarbeitenden Betrieben?

Herzlichen Dank für das Gespräch und alles Gute für eure Zukunft!


Salma, Shirihan und Mustafa in der Pause.

Was denken die Ausbildenden und die Verantwortlichen zur Entwicklung im Holzsektor? Lesen Sie den 2. Teil!

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