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Auch Lehrer müssen lernen: Ein Interview mit Gamal El-Sayed

Vor rund 29 Jahren entstand die SEKEM Schule als Grundstein für eine neue Generation, die eine nachhaltige Gesellschaft fördern soll. Aber wie genau sahen eigentlich die Anfänge der SEKEM Schule aus? Was ist in der SEKEM-Bildungseinrichtung anders als in staatlichen Schulen? Und wie versucht die SEKEM Schule ein Gegenmodell zum staatlichen Schulsystem zu sein, dessen Qualität kürzlich auf den vorletzten Platz von 140 Ländern weltweit gewählt wurde? Mit großer Begeisterung und dem wunderbaren Talent Geschichten zu erzählen, berichtet Gamal El-Sayed, Direktor der SEKEM Schule, in einem Interview mit den SEKEM News von den Anfängen der SEKEM Schule.

SEKEM News: In der SEKEM Schule werden heute mehrere hundert Kinder von über hundert Lehrern unterrichtet. Wie haben Sie damals von der neuen Schule erfahren?

Gamal El-Sayed: Als die SEKEM Schule 1987 auf der SEKEM Farm gegründet wurde, habe ich noch als Arabischlehrer an einer staatlichen Schule in der Nähe von SEKEM unterrichtet. Zwei Jahre später suchte SEKEM nach neuen erfahrenen Lehrern. Dr. Ibrahim Abouleish lud alle Lehrer aus der Umgebung auf die Farm ein. Wir führten ein tiefgreifendes Gespräch darüber, wie das Bildungssystem in Ägypten verbessert werden kann und wie die Schüler dazu ermutigt werden, sich individuell zu entwickeln. Dr. Ibrahim Abouleishs authentischer Glaube an die Bedeutung von Bildung für die Entwicklung einer Gesellschaft und seine Demut waren für mich die überzeugenden Argumente, der SEKEM Schule beizutreten, obwohl ich zugeben muss, anfangs skeptisch gewesen zu sein.

SEKEM News: Woher kam diese Skepsis?

Gamal El-Sayed: Weil ich damals, wie viele andere, zunächst nicht verstehen konnte, was Dr. Ibrahims Absicht war, als er anfing trockenes Land in der Mitte der Wüste urbar zu machen. Trotzdem war ich neugierig und wollte unbedingt wissen, was diesen Mann motivierte, als er die SEKEM Initiative gründete. Das Treffen mit ihm war die beste Gelegenheit meiner Neugier nachzugehen und mich von seinem Vorhaben überzeugen zu lassen.

SEKEM School Gamal
Gamal El-Sayed, langjähriger Direktor der SEKEM Schule.

„Ich bin nun seit 27 Jahren dabei und lerne bis heute jeden Tag etwas Neues.“

SEKEM News: Wo sehen sie den größten Unterschied zwischen der SEKEM Schule und staatlichen Bildungseinrichtungen?

Gamal El-Sayed: Zunächst einmal befindet sich die SEKEM Schule mitten im Grünen auf der SEKEM Farm, weit weg von den überfüllten Städten. Das stärkt die Verbindung zwischen Mensch und Natur. Die Lehrer der SEKEM Schule versuchen, das individuelle Potential der Schüler zu stärken, damit sie ihren eigenen Charakter besser entwickeln können. Das ist eine große Herausforderung, da sich die meisten Lehrer in Ägypten normalerweise streng an den Lehrplan halten. Die SEKEM Lehrer kennen die Vision der Initiative, die eine nachhaltige Gesellschaft anstrebt, allerdings sehr gut. Durch regelmäßige Schulungen entwickelt sich unser Lehrpersonal ständig weiter. Ich bin nun seit 27 Jahren dabei und lerne bis heute jeden Tag etwas Neues.

SEKEM News: Wie viele Schüler und Lehrer gibt es denn nun nach 29 Jahren an der SEKEM Schule? Und wie schaffen Sie es, dass die Lehrer die SEKEM Vision verinnerlichen?

Gamal El-Sayed: Aktuell lernen bei uns 750 Schüler und wir haben 110 Lehrer angestellt. SEKEM ist ein bekanntes Vorzeigemodell für nachhaltige Entwicklung durch den ganzheitlichen Ansatz der vier Dimensionen, Ökologie, Wirtschaft, soziales und kulturelles Leben. Entsprechend sollten sich die SEKEM Lehrer mit nationalen und internationalen Herausforderungen in all den vier Bereichen auseinandersetzen. Wir unterstützen sie dabei, indem wir ihnen Aktivitäten und Veranstaltungen zu besonders dringlichen Themen, wie etwa dem Klimawandel, Wasserknappheit, Wüstenbildung und vielem mehr anbieten.

SEKEM Lehrer sollten sich mit nationalen und internationalen Herausforderungen auseinandersetzen.“

SEKEM News: Gerade sind Sommerferien in Ägypten. Trotzdem sind immer wieder Schüler und Studenten auf dem Gelände der SEKEM Schule zu sehen. Woran liegt das?

Gamal El-Sayed: Während der langen Ferienzeiten nehmen die SEKEM Lehrer an Schulungen teil. In diesem Jahr gab es Fortbildungen zum Thema Führungs- und Kommunikationsfähigkeiten, die von Mitarbeitern der Heliopolis Universität organisiert und geleitet wurden. Auch die Schüler kommen in den Ferien für künstlerische Aktivitäten in die Schule. So gibt es beispielsweise den Sommer Chor, in dem orientalische und westliche Musikstücke geübt und später vor Publikum präsentiert werden. Außerdem können sie in SEKEMs Berufsbildungszentrum verschiedene Handwerksberufe kennenlernen oder an kleinen Bildungsreisen teilnehmen wie etwa dem Besuch von Museen.

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SEKEM Schüler bei einem Töpferkurs während der Sommerferien.

SEKEM News: Sie sind der Leiter der SEKEM Schule und des Berufsbildungszentrums. Wie sind diese unterschiedlichen Institutionen in den SEKEM Komplex eingebunden und wo sehen sie ihre Schwerpunkte?

Gamal El-Sayed: Die SEKEM Initiative ist wie ein fruchtbarer Baum mit vielen verschiedenen Zweigen, die alle mit derselben Wurzel unter demselben Boden verbunden sind. Wenn sich niemand um die reifenden Früchte kümmert, werden sie vertrocknen und der Baum würde nutzlos. Meine Aufgabe ist es, sich um die Früchte zu kümmern aber gleichzeitig auch die Gesundheit des Bodens und der Wurzeln zu bewahren. Bevor ich diese große Verantwortung übernommen habe, habe ich als Lehrer an der SEKEM Schule und im Berufsbildungszentrum zunächst gelernt die gesamte Komplexität des SEKEM-Gebildes zu verstehen und zu verinnerlichen. Heute bin ich Direktor der SEKEM Schule und kümmere ich mich beispielsweise um die Öffentlichkeitsarbeit der Schule, pflege externe Kontakte, um das Netzwerk der Schule aufrecht zu erhalten. Gleichzeitig arbeite ich eng mit Dr. Ibrahim Abouleish zusammen, der mir viel Vertrauen schenkt, dass ich seine Vision verinnerlicht habe und sie entsprechend kommuniziere.

„Die SEKEM Schule braucht Lehrer, die den Wunsch haben sich persönlich stetig weiterzuentwickeln.“

SEKEM News: Wie Sie zuvor sagten, arbeitet die SEKEM Schule mit einem anderen Bildungsansatz als konventionelle Schulen. Wie finden Sie Lehrer, die in der Lage sind, SEKEMs Vision von Lehre und Lernen zu verstehen und anzuwenden?

Gamal El-Sayed: Zunächst suchen wir nach der Güte, die die Menschen in ihren Herzen tragen. Das erkennen wir beispielsweise daran, wie sie sich in bestimmten Situationen verhalten oder welche Werte sie vertreten. Die SEKEM Schule braucht Lehrer, die den Wunsch haben sich persönlich stetig weiterzuentwickeln und sich gleichzeitig mit dem Wohlergehen der Gesellschaft auseinandersetzen. Wenn ein Lehrer an die Werte glaubt, die ständiges Lernen mit sich bringt, wird sich dies in seiner Lehrmethode stark bemerkbar machen.

SEKEM Medical Center
SEKEMs medizinisches Zentrum gehört zur SEKEM Stiftung für Entwicklung und ist Teil der ganzheitlichen Vision für nachhaltige Entwicklung.

SEKEM News: Das Weltwirtschaftsforum hat die Qualität der Grundschulbildung in Ägypten kürzlich auf den vorletzten Platz von 140 Ländern weltweit gewählt. Das Bildungssystem hat offensichtlich mit immensen Problemen zu kämpfen. Wie versucht die SEKEM Schule diese Herausforderungen anzugehen?

Gamal El-Sayed: Ich glaube, die Lehrer sind von zentraler Bedeutung. Deshalb versucht SEKEM, das Personal intensiv in die ganzheitliche Philosophie der Initiative zu integrieren, wodurch wiederum Gerechtigkeit und Gleichheit innerhalb der Gemeinschaft gefördert werden. Wir können eine gut entwickelte und gebildete Gesellschaft schaffen wenn wir aufgeklärte und wachsame Lehrer haben, die ihren Schüler die Werte von Menschlichkeit, einer gesunden Umwelt und einer fairen Gesellschaft verständlich und überzeugend vermitteln anstatt stupides Auswendiglernen zu fördern.

Interview: Noha Hussein

 

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