Im Jahr 2007 startete Angela Hofmann im Rahmen des SEKEM Vision Goal Nummer 8 ihr erstes Imkereiprojekt, das sich auf den Schutz und die Verbreitung von Honigbienen in Ägypten konzentriert. Auf die Frage, warum sie sich entschlossen hat, dieses Projekt zu starten, obwohl sie keine Erfahrung in diesem Bereich hat, antwortet sie einfach: “Jeder, der in der Landwirtschaft arbeitet, sieht den Zusammenhang zwischen Bienen und Erträgen. Jeder Landwirt weiß, dass Bienen einer der wichtigsten Bestandteile unserer Ökosysteme sind.“
Warum verschwinden die Bienen?
In den letzten Jahrzehnten war weltweit ein erheblicher Rückgang der Bienenpopulation zu verzeichnen, der durch verschiedene Faktoren verursacht wurde. Der weltweit größte Vernichter der Honigbienen ist Varroa destructor, ein Parasit, der die Bienen angreift und sich von ihnen ernährt, während er gleichzeitig Virusinfektionen unter den Bienen verbreitet. Ein weiterer maßgeblicher Grund für das Bienensterben sind Neonicotinoide und andere Pestizide, die in der konventionellen Landwirtschaft weit verbreitet sind. Diese Chemikalien werden von den Pflanzen aufgenommen und schädigen das Nervensystem der Bienen, wenn sie mit ihnen in Kontakt kommen.
Warum ist das Bienensterben so besorgniserregend? Nach Angaben des Umweltprogramms der Vereinten Nationen werden 71 der 100 Kulturpflanzenarten von Bienen bestäubt. Das bedeutet, dass das Aussterben der Bienen verheerende Auswirkungen auf globaler Ebene haben wird: Das Verschwinden von Pflanzenarten wird zu einer Störung der Nahrungskette von Tieren und unserer eigenen Ernährungssicherheit führen, was schließlich eine weitere Wirtschaftskrise zur Folge haben wird. Der Südwesten Chinas hat die Auswirkungen des Bienensterbens, das durch den intensiven Einsatz von Agrochemikalien verursacht wird, bereits zu spüren bekommen. Äpfel und Birnen werden dort von den Landwirten von Hand bestäubt. Wie man sich vorstellen kann, ist dies ein langwieriger und mühsamer Prozess, bei dem jede Blüte einzeln mit einem kleinen Pinsel bestäubt werden muss. Dies erfordert viel Zeit und körperliche Anstrengung und ist nicht annähernd so effektiv wie die natürliche Bestäubung.
Bienen im Alten Ägypten
Ägypten ist mit der Bienenzucht seit den Zeiten der Pharaonen vertraut. Eine alte Legende besagt, dass die Bienen aus den Tränen von Re, einem der Schöpfergötter des Alten Ägyptens, geboren wurden, was uns zeigt, wie sehr Bienen damals geschätzt wurden. Honig wurde als natürliches Süßungsmittel (da es damals noch keinen Zucker gab) und als Medizin verwendet. Er war nur für die Reichen erhältlich und immer sehr begehrt. Aufgrund der bekanntlich nicht ganz einfachen klimatischen Bedingungen hatten die einheimischen ägyptischen Honigbienen ein starkes Immunsystem und benötigten kaum Pflege durch die Imker. Diese Art wurde im 20. Jahrhundert von Wissenschaftlern wiederentdeckt und Apis mellifera lamarckii nach dem französischen Naturforscher Jean-Baptiste Lamarck benannt. Neben der Temperaturbeständigkeit und der hohen Bestäubungsleistung erwies sich Lamarckii auch als resistent gegen Varroa destructor, was für Bienen eine äußerst wichtige Eigenschaft ist.
Allerdings ist der Honigertrag der Lamarkiis im Vergleich zu den europäischen Arten gering. Aus diesem Grund wurden in den 1980er Jahren Carnica-Honigbienen in Ägypten eingeführt, um sie mit Lamarkiis zu kreuzen. Die ursprüngliche Idee war, die Vorteile beider Arten zu steigern und weiterentwickelte Bienenvölker zu züchten, die eine hohe Honigproduktion aufweisen und dem Wüstenklima widerstehen können. Aufgrund schlechter Pflege und Vernachlässigung wiesen die gezüchteten Hybride jedoch ein schwaches Immunsystem auf und benötigten eine große Menge an Medikamenten, um zu überleben und Honig zu produzieren. Dieser Fehler führte zu einem Rückgang der reinen Lamarkiis-Populationen in Ägypten und es besteht die Gefahr, dass diese Arten vollständig verschwinden werden.
Das Projekt von Angela
Das Projekt von Angela war eine Zusammenarbeit zwischen EBDA und dem deutschen Demeter-Imker Günter Friedmann. In den ersten Jahren konzentrierten sie sich darauf, den Gesamtzustand der Hybridarten durch die Zucht neuer gesunder Bienenvölker zu verbessern, bis Günter vorschlug, Angela solle sich besonders um die Suche und Zucht der reinen Lamarckiis kümmern, die am Rande des Aussterbens standen.
“Es war eine Herausforderung, reine Lamarckii-Kolonien zu finden”, erinnert sich Angela. “Das Hauptproblem war, dass Lamarckiis immer noch in von Termiten zerfressenen Stämmen, den traditionellen ägyptischen Bienenstöcken, gezüchtet wurden. Der Umgang mit diesen Bienenstöcken ist schwierig und erfordert spezielle Kenntnisse. Außerdem sind Lamarckiis etwas aggressiver als andere Honigbienenarten, weshalb junge Imker sie nicht mögen. Das Sammeln des Honigs von Lamarckiis ist mit viel Aufwand verbunden und der geringe Honigertrag ist nicht sehr ertragreich.”
Die Schwierigkeiten des Betriebs der Bienenstöcke führten zu einem massiven Rückgang der Lamarckiis-Population. Im Jahr 2009 entdeckten Angela und die EBDA 100.000 Lamarckiis-Kolonien in den Gebieten von Assyut und Assuan, jedoch war die Population bereits rückläufig. Die Landwirte gaben ihre Bienenvölker auf und zogen die europäischen Bienenarten vor, die einfacher zu halten sind und mehr Honig produzieren. Heutzutage gibt es in der Gegend von Assyut nur noch etwa 1000 reine Lamarckiis-Kolonien. Erst vor kurzem verbesserte sich die Situation, als Wissenschaftler den alarmierend niedrigen Stand der Lamarckiis bemerkten und die Preise für die Bienenvölker auf dem Bienenmarkt sofort in die Höhe schossen.
Heutzutage wird das Imkereiprojekt von nur drei Personen geleitet: Angela, dem ägyptische Imker Islam Siam und seinem Assistent. Gemeinsam haben sie die Zahl der Lamarckii-Bienenvölker im Rahmen des Projekts auf 350 erhöht. Darüber hinaus haben Angela und ihr Team im letzten Jahr begonnen, mit der Regierung in einem natürlichen Wiederherstellungsgebiet in Asyut zusammenzuarbeiten, in dem die reinen Lamarckiis noch leben.
Wie kann man die Bienen unterstützen?
Für alle Menschen, die sich ebenfalls engagieren möchten, bietet die EBDA die Möglichkeit, dieses Projekt zu unterstützen, indem Sie ein/e “BienenfreundIn” werden und für die Unterhalts- und Verwaltungskosten eines oder mehrerer Bienenvölker spenden und im Gegenzug Bio-Honig aus ihren Bienenstöcken erhalten. Daneben gibt es viele andere Möglichkeiten, sich für die Rettung der Bienenpopulation zu engagieren. Beispielsweise indem man Biobauern unterstützt, die keine schädlichen Pestizide verwenden, bienenfreundliche Blumen im Garten pflanzt und Honig von nachhaltigen Imkern kauft.
Neben dem Projekt zur Erhaltung der Lamarckiis arbeitet die EBDA daran, die Zahl der Honigbienen in ägyptischen Biobetrieben zu erhöhen. Zu diesem Zweck stellt die EBDA den Landwirten Bienenstöcke zur Verfügung und bietet Schulungen für Männer und Frauen zur Imkerei an. Auf diese Weise tragen die Landwirte nicht nur dazu bei, die Zahl der Bienen zu erhöhen, sondern sorgen auch für die richtige Bestäubung ihrer eigenen Pflanzen und gewinnen eigenständig Bio-Honig. Bisher ist das Projekt bei den örtlichen Landwirten auf große Resonanz gestoßen, denen die Idee gefällt, sich auf diese neue und spannende Reise zu begeben.