SEKEMsophia: Der Phönix aus der Asche

Nach 40 Jahren visionärer Führung ist der SEKEM-Gründer Dr. Ibrahim Abouleish während des heiligen Monats Ramadan verstorben. Er hinterlässt das Erbe einer einzigartigen viergliedrigen Entwicklungsinitiative in der ägyptischen Wüste. Sicherlich vermuten viele, dass SEKEM sich nun in einer besonders schwierigen Phase befindet –vor allem wenn berücksichtigt wird, dass die Initiative sowieso bereits in einem turbulenten wirtschaftlichen Umfeld mit wenig Stabilität vielen Herausforderungen gegenüber steht. Nun war Ibrahim Abouleish zudem ein sehr charismatischer und starker Führer, der von vielen als Vater angesehen wurde, der die geistige Welt und die irdische Realität in harmonischer Balance hielt. Ist es möglich einen so großen Mann zu ersetzen, dessen Wirkung in jedem Detail von SEKEM gesehen und gefühlt werden kann – von der Platzierung der Bäume bis hin zur Farbe jeden kleinen Fensters? Nicht zu vergessen seine unsichtbaren Qualitäten, die in vielen Menschenherzen bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Wir alle kennen die Antwort!

„Mein Vater war nie um seine Nachfolge besorgt. Er wusste immer, dass ich da sein werde, um seine Rolle zu übernehmen. Darauf wurde ich ein ganzes Leben lang vorbereitet. Nun ist die Herausforderung der Nachfolge mir überlassen – aber ich habe die ganze SEKEM-Gründungsgeneration an meiner Seite, mit der ich die neue Generation dabei unterstützen kann, sich auf ihre zukünftige Verantwortung vorzubereiten, ganz so wie es mein Vater mit mir getan hat“, so Helmy Abouleish, SEKEM-Geschäftsführer.

Organisatorische Entwicklung ist notwendig

Anfang Juli haben sich einige Mitglieder der SEKEM-Gemeinschaft an drei Tagen zusammengefunden, um sich ein Bild davon zu machen, wie eine robuste und gleichzeitig lebendige Führungsstruktur für SEKEM als komplexes Ökosystem geschaffen werden kann. Ziel war es, Klarheit darüber zu gewinnen, wer aktuell was tut und bisherige Verantwortlichkeiten durch Rollen und Kreise zu ersetzen, so dass institutionelle und rechtliche Rahmenbedingungen erfüllt werden und gleichzeitig die tatsächliche Entscheidungsverteilung widergespiegelt wird. Das klingt zunächst nach einer leichten Aufgabe, benötigt allerdings viel Zeit und Bewusstsein. Es reicht nämlich nicht, die vorhandenen Strukturen zu erfassen, sondern erfordert einen kontinuierlichen Prozess und eine anhaltende Wahrnehmung der Personen, die bestimmte Rollen ausfüllen.

Die Organisation von SEKEM in Form verschiedener Kreise mit unterschiedlichen Rollen schafft klare Arbeitsschritte, die nach der Kapazität und damit der Verantwortlichkeiten der Menschen verteilt werden können. Diese Führungsebene geht Hand in Hand mit einer operativen oder taktischen Dimension, in der konkrete Sitzungen organisiert werden und auf praktische Bedürfnisse eingegangen werden kann – ein sehr effektiver und effizienter Weg. Diese Art der Organisation und Führung soll SEKEM darin unterstützen, das Fehlen von menschlicher Kapazität zu kompensieren, was momentan eine der größten Herausforderungen darstellt.

Natürlich wäre es viel einfacher, wenn eine Person mit dem kompletten visionären Überblick alle Entscheidungen träfe. Bei der Größe SEKEMs und in dem sich so schnell verändernden Umfeld, in dem wir momentan leben und arbeiten, kann dies von Helmy Abouleish allerdings weder erwartet noch geleistet werden. Wir müssen ein System schaffen, das genügend Anleitung und Klarheit beinhaltet, um den SEKEM-Mitarbeitern raschen Zugriff und ein gutes Verständnis für Prioritäten und Daten zu gewährleisten, sodass Entscheidungen schnell, effizient und an Ort und Stelle getroffen werden können.

SEKEMsophia – Ein strategisches Projekt ist geboren

Mit dem Bewusstsein über die Kultur und den Kontext in dem wir aktiv sind und mithilfe von Elementen der Holacracy-Systemik (ein ganzheitliches System für Selbstverwaltung und Entscheidungsfindung, siehe mehr unter: http://www.holacracy.org/) haben wir dieses entstehende Führungssystem SEKEMsophia getauft. Unterschiedliche Bewusstseinshorizonte benötigen entsprechende Führungsstile, die mit der Führungsstruktur einhergehen und angemessene Rahmenbedingungen für Verantwortungsbereiche herauszubilden helfen. Was wird wo benötigt? Und: Was funktioniert wie und wo am besten? Das sind die wesentlichen Fragen, die wir uns in den kommenden Jahren immer wieder stellen wollen. So wurde ein Projekt entwickelt, das wir SEKEMsophia nennen und, das das Ziel verfolgt, eine lebendige Führungsstruktur aufzubauen, bei der ein ganzheitlicher Entwicklungsansatz für die Menschen berücksichtigt wird. So soll eine nachhaltig erfolgreiche Nachfolge entstehen. Dadurch wird sich das soziale Gefüge von SEKEM sicherlich erheblich verändern und der Prozess wird wahrscheinlich noch Jahre dauern. Aber dieser Wandel ist notwendig und vereint die Wertschätzung der Vergangenheit mit dem erfolgreichen Pioniergeist von Ibrahim Abouleish und der Zuversicht für die Zukunft als das, was durch die neue Generation entstehen wird. Diese neue Phase kann symbolisch mit einem Feuervogel verglichen werden, der sich aus der Asche des großartig führenden Lichtes, das Ibrahim Abouleish wirklich war, erhebt. Aus dieser Perspektive betrachtet, sieht SEKEM die gegenwärtigen von Herausforderungen geprägten Zeiten nicht pessimistisch. Vielmehr sehen wir darin den natürlichen Prozess der Geburt von etwas Neuem.

Dieser Artikel ist Teil einer Reihe von Veröffentlichungen, die das Projekt SEKEMsophia begleiten sollen. So wollen wir unsere Entwicklungsreise mit unserem großen Netzwerk von Partnern und Freunden teilen.

Maximilian Abouleish-Boes

Das ganzheitliche Konzept in einer Blume
Struktur der SEKEM Holding