Ibrahim Abouleish und Klaus Haid verband eine langjährige Freundschaft, die darin wurzelte, dass der SEKEM-Gründer bei dem deutschen Landwirt und Anwalt die biologisch- dynamische Landwirtschaft näher kennenlernte und sich davon überzeugen ließ, dass damit auch die Wüste begrünt werden kann. Nach dem irdischen Abschied von Ibrahim Abouleish im Juni 2017, fasste Klaus Haid folgende Erinnerungen zusammen.
Meine Freundschaft mit Ibrahim Abouleish entstand vor über 40 Jahren, als er noch ein Praktikum bei der Wala absolvierte. Ich betrieb damals neben meinem Anwaltsberuf in alter familiärer bäuerlicher Tradition einen Gutshof in Gailingen mit Reitstall, Pferdezucht und einer landwirtschaftlichen Fläche mit ca. 30 Hektar. Im Rahmen meiner Verbindung zur Anthroposophie geschah dies selbstverständlich nach biologisch-dynamischer Wirtschaftsweise. Die vorgegebene Überprüfung für eine Vermarktung der biologisch-dynamisch erzeugten Brotgetreide erfolgte seinerzeit durch einen dafür legitimierten Berater. Dieser kündigte mir an, dass er bei seinem nächsten Beratungsbesuch von Ibrahim Abouleish begleitet wird, der sich für die spezielle Struktur meines damaligen Hofguts interessierte. Bei dem angekündigten Besuch nahm Ibrahim Abouleish sämtliche Betriebsabläufe exakt zur Kenntnis einschließlich der vorgegebenen dreijährigen Kompostiervorgänge.
In diesem Zusammenhang zeigte ich ihm auch die Renaturierung mehrerer Hektar ehemaliger Kiesabbauflächen. Für die Renaturierung konnte ich nur wenige Zentimeter Ackerboden aus einer Baustelle sowie Kompostzusatz aufbringen und baute zunächst für die Versorgung meiner Pferde Hafer an. Für mich völlig unerwartet war Ibrahim Abouleish von dieser Renaturierungs-Maßnahme außerordentlich begeistert mit der Aussage, dass dann auch der Wüstensand in Ägypten renaturiert werden könnte. Dies realisierte er nach seiner Rückkehr nach Ägypten und lud mich dorthin zu mehrfachen freundschaftlichen Besichtigungen und Beratung ein. Mit großer Freude habe ich die Entwicklung der SEKEM Initiative verfolgt.
Im Rahmen einer solchen Reise vermittelte er mir auch einen Besuch bei einer von Sufis betriebenen Moschee in Alexandria. Für den von den Sufis im Rahmen ihrer wöchentlichen Feiern geübten Tanz habe ich mich im Hinblick auf die Verbindung zur Eurythmie stets interessiert. Mein Besuch in der Sufi-Moschee in Alexandria ist mir wegen eines besonderen Vorkommnisses in bester Erinnerung. Die zahlreichen Besucher der Moschee wurden an deren Eingang vom zuständigen Imam ganz herzlich begrüßt, indem er jeden an der Türschwelle umarmte und in die Moschee hineingeleitete, und dies in dem vorgegebenen bodenlangen weißen Kleid. Dieses Kleid hatte ich natürlich nicht an. Als ich dann vor der Schwelle stand und meine Arme für die Umarmung des Imams öffnete, stieß mich dieser zurück und schrie mich in Englisch an: „Bist du Christ oder bist Du Moslem?“
Mein Christentum konnte und wollte ich natürlich nicht verleugnen. Mit anwaltlicher Finesse fiel mir dann folgende Ausrede ein: „Wenn du mich an der Schwelle deiner Moschee empfängst und mich über diese Schwelle hinweg begleitest, bin ich Moslem.“
Darauf erstrahlte sein Angesicht. Er umarmte mich innig und führte mich über die Schwelle mit der für alle Anwesenden deutlich hörbaren Aussage: „Und wenn du mich an der Schwelle deiner christlichen Kirche empfängst und mich über diese Schwelle hinweg geleitest, bin ich Christ!“
Eine solche ehrenwerte Toleranz würde man sich heute im Kampf der Religionen sehr wünschen.
Klaus Haid
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