SEKEM Ecology

SEKEM: Eine blühende Oase in der ägyptischen Wüste

Bekämpfung der Wüstenbildung durch ganzheitliche biologisch-dynamische Landwirtschaft.

Ägypten ist bekannt als eine der ältesten Zivilisationen, die Landwirtschaft auf der Erde betrieben hat. Vor Tausenden von Jahren hinterließen die jährlichen Überschwemmungen des Nils einen fruchtbaren und gesunden Boden, auf dem die Menschen ihre Nahrung anbauen konnten. Da es in Ägypten kaum regnet, war der Nil wie ein Brunnen in der Wüste, der die Bevölkerung ernährte.

Der Nil - eine Quelle des Lebens
Der Nil – eine Quelle des Lebens

Aber die Zeiten haben sich geändert. Der Assuan-Staudamm wurde gebaut – er versorgt das Land nicht nur mit Energie, sondern verhindert auch, dass der fruchtbare Schlamm bis in das Nildelta gelangt. Die Folge ist ein immer höherer Einsatz von chemischen Düngern und Pestiziden, um die Erträge der Ernte zu steigern. Heutzutage ist das natürlich Ökosystem stark verschmutzt, nahezu zerstört. Und selbst wenn der Nil so sauber wie in der Antike wäre könnte er die rasant wachsende Bevölkerung (rund 90 Millionen) nicht mehr ernähren. Ägypten lebt in Wasserarmut. Der durchschnittliche Wasserverbrauch pro Kopf liegt bei rund 660 Kubikmeter im Jahr – der weltweite Durchschnitt bei 1.000 Kubikmetern. Eine Prognose der Vereinten Nationen besagt, dass die Verfügbarkeit von Wasser in Ägypten auf unter 500 Kubikmeter pro Kopf im Jahr 2020 fallen wird.

Ägypten wird das Wasser ausgehen

Mehr als 90 % der Fläche Ägyptens ist unfruchtbare Wüste. Die etwa 6 % fruchtbarer Boden verbrauchen mehr als 80 % der verfügbaren Wasserressourcen. Allerdings reicht das wenige Land nicht aus, um den Bedarf an Nahrungsmitteln für die Bevölkerung zu decken – obwohl das Nilwasser bereits zweimal verwendet wird. Diese Tatsache verursacht in der Realität sogar noch mehr Probleme. Die Kanalisation wird mit landwirtschaftlichem Abwasser überschwemmt, in dem sich chemische Düngermittel und Pestizide befinden, die Krankheiten wie beispielsweise Bilharziose, eine Infektion von parasitischen Plattwürmern aus warmen Binnengewässer, verbreiten.

Eine weitere Herausforderung ist die fehlende Abfallentsorgung, wodurch gefährlichere Risiken für Ökologie und Gesundheit entstehen. Nach Angaben der Weltbank erzeugte Ägypten im Jahr 2012, 89,03 Millionen Tonnen Müll. Nur 60 % werden fachgerecht entsorgt. Der Rest landet auf der Straße oder auf illegalen Deponien.

Die Müllentsorgung ist ein großes Problem in Ägypten
Die Müllentsorgung ist ein großes Problem in Ägypten

Ägypten leidet unter den Folgen des Klimawandels

All dies trägt zu der Tatsache bei, dass Ägypten besonders stark von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen ist. So ist beispielsweise der Anstieg des Meeresspiegels eine direkte Folge der globalen Erderwärmung. Dadurch sinkt das Nildelta bereits 3-5 Millimeter pro Jahr. Ein Anstieg des Meeres von einem Meter würde ein Viertel des Nildeltas überfluten – mehr als 10 % der ägyptischen Bevölkerung würden ihren Lebensraum verlieren.

Als Dr. Ibrahim Abouleish nach 20 Jahren aus Österreich in seine Heimat Ägypten zurückkehrte, konnte er all diese Herausforderungen bereits vorhersehen. Eine Vision kam ihm in den Sinn:

“Inmitten von Sand und Wüste sehe ich mich als Brunnen, der Wasser spendet. Behutsam pflanze ich Bäume, Kräuter und Blumen und gieße ihre Wurzeln mit den kostbaren Tropfen. Das kühle Wasser zieht Menschen und Tiere an, die sich erfrischen und neue Kraft schöpfen.”

Dr. Ibrahim Abouleish kaufte in der Nähe von Kairo Wüstenland und begann den unfruchtbaren Boden mit biodynamischen Anbaumethoden urbar zu machen. Sein Ziel war es, einer ganzheitlichen Initiative zu gründen, die nachhaltige Entwicklung fördert.

Kamillefeld in der Wüste
Kamillefeld in der Wüste

Eine gesunde Umwelt und Ökologie bilden die Grundlage für alles Leben. So ist der nachhaltige Umgang mit dem wenigen fruchtbaren Land der erste Schritt zur Bekämpfung von Wüstenbildung. In Bezug auf die genannten Herausforderungen bedeutet dies in erster Linie, Wasser bewusst und sparsam zu verwenden. SEKEM ist überzeugt, dass die biodynamische Landwirtschaft für den nachhaltigen Umgang mit Wasser die besten Möglichkeiten bietet.

Kompost – das schwarze Gold der Wüste

SEKEM begann Kompost, das „schwarze Gold der Wüste“, zu produzieren und diesen als natürliche Alternative zu chemischem Dünger zu verwenden, um die trockenen Böden zurückzugewinnen ohne dabei die Umwelt mit schädlichen Pestiziden zu gefährden. Dies erfordert zwar im Vergleich zu konventionellen Methoden mehr Zeit, sorgt aber dafür, dass die Landwirtschaft nachhaltig ist. Außerdem ist die natürliche Düngung schlussendlich sogar günstiger, wenn die tatsächlichen Kosten der Landwirtschaft mit einkalkuliert würden (siehe „Wirtschaft“ oder die Studie „The Future of Agriculture in Egypt”).

Biodynamische Präparate
Biodynamische Präparate

Neben Kompost erfordert biologisch-dynamische Landwirtschaft eine bestimmte Fruchtfolge. Durch die Rotation von Pflanzen, die entweder viel oder wenig Stickstoff verbrauchen, wird eine Erschöpfung der Böden verhindert. Auch die Wurzeln bilden durch die Fruchtfolge mehr organische Substanz. Extrakte aus den Neem-Bäumen werden verwendet, um Krankheiten zu stoppen und effiziente Mikroorganismen, die weder für Menschen noch für den Boden, Pflanzen, Wasser oder Luft schädlich sind, werden als Alternative zu Pestiziden oder anderen chemischen Produkten zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt.

Wertvolles Wasser sparen

Nachdem vor fast 40 Jahren die ersten Quadratmeter Wüste durch Kompost urbar gemacht wurden, hat SEKEM heutzutage fast 684 Hektar trockenes Land in fruchtbaren Boden verwandelt (variierend zwischen 0-30 Zentimeter Tiefe), der reich an organischer Substanz ist und ein breites Spektrum von mikrobiologischem Leben vorweist. Die biologischen Felder der SEKEM Farm haben dadurch ein viel höheres Wasserspeichervermögen und benötigen bis zu 20 % weniger Wasser als herkömmlich bewirtschaftete Böden. Der Kompost sowie die biodynamischen Präparate werden von SEKEM produziert und auch an andere Bauern verkauft. Mittlerweile haben etliche konventionelle landwirtschaftliche Betriebe, die nach und nach um die SEKEM Farm entstanden sind, die Vorteile des natürlichen Düngemittels erkannt und selber angefangen Kompost zu produzieren und zu verkaufen.

Sobald das Land fruchtbar ist, spielen Tiere eine wesentliche Rolle in einem biodynamischen Betrieb – sowie sie generell für die Balance aller Ökosysteme von großer Bedeutung sind.

SEKEM cow
Kälbchen in SEKEM.

SEKEMs Verständnis von Landwirtschaft und Tierhaltung, das auf biologisch-dynamischen Prinzipien basiert, besagt nicht nur, dass die Tiere artgerecht gehalten werden, sondern, dass auch die körperlichen Anforderungen ihrer natürlichen Entwicklung mit in Betracht gezogen werden. SEKEM hält Bienen, Rinder, Schafe und Tauben. Abgesehen von den Lebensmitteln, die sie produzieren, ist der Mist von großer Bedeutung für die Herstellung von Kompost. Dadurch wird der natürliche Kreislauf erhalten.

Eine nachhaltige Oase in der Wüste braucht natürlich saubere Luft – das wichtigste Gut für alle aeroben Lebewesen. SEKEM pflanzt Bäume um die Felder und erzielt dadurch etliche Vorteile: Die Bäume brechen den Wind, sodass die oberste Humusschicht nicht weggeweht wird; durch den Schatten entsteht kühle und feuchte Luft, die sich positiv auf das Mikroklima der Felder auswirkt; die Photosynthese der Bäume nimmt Kohlendioxid auf und gibt stattdessen den benötigten Sauerstoff ab; und auf lange Sicht steigt wegen der kühleren Oberfläche der Grundwasserspiegel und bringt zusätzlich positive mikroklimatische Veränderungen.

Unter der ägyptischen Sonne: Erneuerbare Energien

Ägypten hat die perfekten Voraussetzungen für erneuerbare Energien, die unter anderem dazu beitragen, den Ausstoß gefährlicher Treibhausgase zu reduzieren. Allerdings wird Energie in Ägypten stark subventioniert, die Abzahlung von Investitionen verläuft sehr langsam. SEKEM betreibt laufend Projekte mit Solarenergie, wie Photovoltaikanlagen, hybride Solartrockner oder verschiedene solarbetriebene Wasserheizungen. Im vergangenen Jahr konnte SEKEM zwei solarbetrieben Wasserpumpen installieren, die einen Diesel-Generator ersetzen und zu den größten ihrer Art in ganz Ägypten zählen.

Solarbetriebene Wasserpumpe in SEKEM.
Solarbetriebene Wasserpumpe in SEKEM.

Die SEKEM Farm ist heute ein Ort, wo Bäume, Pflanzen und Blumen wachsen und das Wasser Menschen und Tiere anzieht, um sich zu erfrischen. Außerdem wurden mehr als 680 Hektar ehemalige Wüste von SEKEM zurückgewonnen und weitere 800 Landwirte betreiben im Auftrag von SEKEM in ganz Ägypten biodynamische Landwirtschaft für ein faires Einkommen (lesen Sie mehr über SEKEMs Vertragsbauern im Abschnitt „Wirtschaft“). Die ägyptische Wüste lebt, es fehlt nur das richtige Bewusstsein über die Herausforderungen und nachhaltige Methoden diese zu bewältigen.

Christine Arlt

Lesen Sie mehr darüber, wie SEKEM versucht die Wüstenbildung in Ägypten zu bekämpfen:

Kulturelles Leben
Soziales Leben
Wirtschaft
Jede Wüste birgt einen Brunnen