Sich mit der Natur verbinden, von vorne anfangen, voneinander lernen – solche und ähnliche Eindrücke gaben verschiedene Mitarbeiter von SEKEM und der Heliopolis-Universität zum Ausdruck gebracht, nachdem sie kürzlich mehrere Tage auf der SEKEM-Farm Wahat verbracht haben. Das Projekt “SEKEM Wahat – Greening the Desert” begann im Januar 2019 auf über 2000 Feddan (rund 900 Hektar) Wüste. Ziel ist es, dort in der westlichen Wüste Ägyptens, eine nachhaltige Gemeinschaft entstehen zu lassen, die das individuelle Potenzialentfalten von Menschen fördert, die durch ein ganzheitliches Sozialsystem strukturiert ist und eine „Wirtschaft der Liebe“ praktiziert – inspiriert durch die SEKEM-Vision von Ibrahim Abouleish.
Derzeit leben und arbeiten etwa 60 Menschen auf der neuen SEKEM-Farm, dazu kommen 53 Vertragsarbeiter. Diese Menschen sind die wahren Helden, die in der Wüste an einem neuen Wunder tagtäglich hart arbeiten. „Am Anfang war ich schockiert – ich sah das riesige Wüstenland und versuchte mir vorzustellen, wie viel Arbeit nötig ist, um es fruchtbar zu machen”, erzählt Abdelrahman, Lehrer für Heilpädagogik an der SEKEM-Schule. SEKEM will diesen Helden der Wüste Möglichkeiten bieten, ihre individuellen Talente zu finden und Fähigkeiten zu entwickeln. Es soll ein Raum für Kultur geschaffen werden, um der Wüstengemeinschaft in Zukunft viele weitere Kunst-, Kultur- und Bildungsaktivitäten ermöglichen zu können.
Mit der Natur verbinden
So verbringen nun SEKEM-LehrerInnen und DozentInnen der Heliopolis-Universität regelmäßig Zeit auf der Wahat-Farm, um sich umfassend mit den Gegebenheiten vor Ort vertraut zu machen und Kultur den Umständen entsprechend einzuführen. „Unsere fünftägige Reise war in vielerlei Hinsicht eine neue Erfahrung“, beschreibt Martina Dinkel, Eurythmistin in SEKEM. „Eine Herausforderung, die den Mut verlangte, weg von Altbekanntem in die ungewohnte und unfreundliche Umgebung der weiten Wüste zu gehen. Das heißt auch, auf das Gewohnte zu verzichten und Gewohnheiten aufzugeben. Und dann war da noch die Herausforderung, sich auf die Arbeit mit der Erde einzulassen und tief mit der Natur zu verbinden.“ Das Team aus Kairo pflanzte Bäume, sammelte Samen und unterstützte die einheimischen Arbeiter bei ihrer täglichen Feldarbeit. Der Arbeitsbeginn gleich nach dem Morgenkreis um 6 Uhr war bereits die erste Herausforderung für die Gäste, doch die starke Sommersonne macht es unmöglich während der Mittags- und Nachmittagsstunden zu arbeiten. „Die Arbeit mit den Bauern war nicht einfach für uns, aber sie hat uns stark und fit gemacht“, beschreibt Iman, Eurythmie- und Sportlehrerin, ihre Eindrücke. „Das Bäumepflanzen hat mich besonders berührt. Es gab mir ein Gefühl dafür, wie neues Leben beginnt“, fügt ihr SEKEM-Kollege Abdallah Ezzat hinzu.
Teambuilding unter dem prächtigen Sternenhimmel der Wüste
Später am Abend machten die Gäste und die Wahat-Mitarbeiter gemeinsam Sport oder Musik. „Die nächtlichen Eurythmieübungen unter dem Sternenhimmel der Wüste und das Rezitieren eines Sahara-Gedichts haben alle tief berührt“, erzählt die Eurythmie-Lehrerin Shaimaa. „Die Erfahrungen in Wahat haben mein Bewusstsein für Nachhaltigkeit, den Wert von Wasser, Elektrizität, aber auch für Nahrungsmittel und mein Verhältnis zu Zeit stark beeinflusst“, fügt sie hinzu.
So ist bereits diese erste Phase der Vorbereitung eines umfassenden kulturellen „Core Programs“ auf der neuen SEKEM-Wüstenfarm für alle Beteiligten eine bereichernde Erfahrung. Neben den Aktivitäten für die Mitarbeitenden, soll in Wahat außerdem ein Campus von der Heliopolis Universität entstehen, wo die Studierenden die Möglichkeit haben, wirklich praktische und angewandte Erfahrungen in ihren Fachgebieten zu sammeln. Nahla, Eurythmie- und Sportlehrerin, erklärt: „Unser Ziel ist es nicht, andere zu verändern. Aber ich kann den Menschen etwas anbieten, das vielleicht den Willen in ihnen hervorruft eine Veränderung zum Guten voranzutreiben. Ich kann ihren Geist nähren, indem ich ihnen Bildung und Kultur anbiete, und ich glaube, das ist es, was sie in der Wüste ganz besonders vermissen und brauchen.“
Christine Arlt, Nadine Greiss