Nicht nur die kargen Felder werden von Tag zu Tag grüner auf der SEKEM-Wüstenfarm in Wahat El-Bahareyya; auch das kulturelle Angebot wird immer bunter und facettenreicher. Rund 70 Menschen leben und arbeiten mittlerweile auf der SEKEM-Wahat-Farm. Seit 2019 konzentriert sich SEKEM im Besonderen darauf, die 1140 Hektar Wüste zu begrünen und eine vielseitige Lebens- und Entwicklungsgrundlage für möglichst viele Menschen zu erschaffen. So sind in den vergangenen Monaten schon über 260 Hektar karges Land bepflanzt worden. Bäume, grüne Felder und bunte Blumen sind jedoch nur ein Teil der SEKEM-Vision; mindestens ebenso von Bedeutung ist die Chance der Potentialentfaltung all jener Menschen, die mit SEKEM die Felder bestellen und das Gemeinschaftsleben gestalten.
Kurz nachdem die Felder immer grüner wurden, ging auch der Bau eines Amphitheaters los. Hier finden vor traumhafter Kulisse seitdem regelmäßig Konzerte, Theater und andere Vorführungen statt. Kultur und Bildung sollen den Menschen in Wahat von Anfang an zur Verfügung stehen. Obwohl SEKEM auf der Mutterfarm schon seit vielen Jahrzehnten Erfahrung mit der Einbindung und Förderung von Bildung und Kultur hat, ergeben sich im Kontext von Wahat viele neue Herausforderungen und Notwendigkeiten, das Angebot entsprechend angepasst umzusetzen.
Das Wüstenklima im Süden des Landes etwa erfordert einen anderen Arbeitsablauf als im Norden. Die MitarbeiterInnen gehen in den frühen Morgenstunden auf die Felder, ab dem Mittag ist aufgrund der Hitze kaum noch Aktivität möglich. So finden auch die kulturellen Angebote in den Abendstunden statt. „Oft ist es schwer, zu planen, und die Menschen sind müde von der anstrengenden Arbeit unter der heißen Sonne“, weiß Martina Dinkel, die das sogenannte „Core Program“ in Wahat koordiniert. „Daher gestalten wir die kulturellen Aktivitäten mehr in offenen Räumen und Angeboten.“ Es gibt zum Beispiel ein offenes Atelier, in das die Gemeinschaftsmitglieder jederzeit kommen und sich kreativ betätigen können. Von Zeit zu Zeit sind KünstlerInnen dort, die mit Rat und Tat zur Seite stehen. Regelmäßig werden Bewegungs- und Geschicklichkeitsübungen in den Arbeitsalltag integriert. Diese tragen insbesondere zur Mobilisierung, zum Wachwerden und zur Unterstützung der Muskulatur bei. Besonders beliebt ist ein kurzes Bewegungsprogramm nach dem Morgenkreis, bevor die Arbeit losgeht. „Wir haben zunächst Übungen angeleitet, aber mittlerweile machen es die MitarbeiterInnen ganz von alleine. Sie merken, wie ihnen diese Art der Mobilisierung guttut und sie für die Arbeit stärk“, berichtet Martina Dinkel.
Kunst und Bewegung sind noch lange nicht alles, was das Kultur- und Bildungsprogramm zu bieten hat. Regelmäßig kommen langjährige und erfahrene PädagogInnen von der SEKEM-Schule nach Wahat und bieten Kurse zu Themen wie Geographie, Geologie, Geschichte, Englisch oder zur Alphabetisierung an. Mit besonderer Intensität wird zudem die biologisch-dynamische Landwirtschaft und ihre Philosophie gelehrt.
Das Bildungs- und Kulturangebot hat zum einen den Anspruch, möglichst umfangreich und vielseitig zu sein, bietet aber gleichzeitig ganz grundlegende Inhalte für die Menschen, die keine oder teilweise nur sehr begrenzte Schulbildung erhalten haben. Denn davon gibt es vor allem in den ländlichen Regionen Ägyptens noch eine verhältnismäßig hohe Anzahl.
Die Wahat-Gemeinschaft profitiert zudem von einem vielseitigen Austausch. Es kommen beispielsweise SchülerInnen der SEKEM-Berufsschule auf die Wüstenfarm, StudentInnen oder auch internationale Gäste. Das sogenannte „Community based learning“-Programm (sinngemäß: Lernen in der Gemeinschaft) will Synergien schaffen in der Überzeugung, dass eine Vernetzung der unterschiedlichen Kompetenzen und Einblicke in die jeweils anderen Schwerpunktbereiche gewinnbringend und zukunftsweisend sind.
Der SEKEM Verein Deutschland hat sich in den ersten Monaten des Jahres 2021 auf den Bereich der Bildungs- und Kulturförderung konzentriert und mit einem Großteil der Spenden die Aktivitäten in Wahat unterstützt. Und das braucht es auch weiterhin. Denn die Organisation von Kultur in der Wüste ist aufwendig und verursacht Kosten, die von der jungen Gemeinschaft in Wahat noch nicht selber getragen werden können. Außerdem soll das Angebot erweitert werden, sodass auch die Menschen der Umgebung davon profitieren können.
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